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Cyniskus. Hier stehe ich unbekleidet: suche nun die Male, von denen du sagst.

Rhadamanthus. Du bist wahrhaftig ganz rein, außer drei oder vier verblichenen, fast unsichtbaren Flecken. Doch was ist das? Hier sehe ich Spuren und Merkzeichen von vielen ehemaligen Brandnarben: aber sie sind auf eine ganz eigene Weise ausgetilgt, oder vielmehr ausgeschabt. Wie ging das zu, Cyniskus? wie bist du erst später wieder so rein geworden?

Cyniskus. Das will ich dir sagen. Ich war anfänglich ein schlechter Mensch aus Mangel an Erziehung und Bildung: dieß trug mir solche Brandflecken in Menge ein. Sobald ich aber begonnen hatte, dem Studium der Weisheit mich hinzugeben, wusch ich allmählig alle jene Mahlzeichen von meiner Seele ab.

Rhadamanthus. In der That, da hast du ein sehr gutes und wirksames Mittel gefunden. Nun wandre nach den Inseln der Seligen, und erfreue dich des Umgangs mit den Edelsten der Menschen. Zuvor aber bringe deine Klage gegen den Tyrannen an; wovon du vorhin sprachst. – Rufe inzwischen Andere herbei, Merkur.

25. Micyllus. Mit mir wirst du bald fertig seyn, Rhadamanth; da bedarf’s keines langen Untersuchens. Hier stehe ich schon lange nackt, sieh mich an.

Rhadamanthus. Wer bist du denn?

Micyllus. Der Schuhflicker Micyll.

Rhadamanthus. Schön, Micyll, auch du bist ganz rein und ungezeichnet: du kannst desselben Weges, wie Cyniskus, gehen. – Rufe nun den Tyrannen.

Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 434. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0434.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)