Seite:Lucians Werke 0520.jpg

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Ziel eures Strebens erreicht habt, und über den Wolken wandelt.

Hermotimus. Der Himmel gebe, daß wir oben wären, guter Lycinus. Aber ach – es fehlt noch so viel!

6. Lycinus. Gleichwohl hast du mir noch nicht gesagt wie viel: ich möchte doch eine ungefähre Zeit wissen.

Hermotimus. Ich weiß es selbst nicht genau. Doch vermuthe ich, daß es nicht über zwanzig Jahre anstehen wird, bis auch ich vollends den Gipfel erstiegen haben werde.

Lycinus. Herkules, eine lange Zeit!

Hermotimus. Es steht aber auch das Herrlichste am Ziel, Lycinus.

Lycinus. Das mag wohl seyn. Aber was die zwanzig Jahre betrifft, wie kann denn dein Meister dir Bürge seyn, daß du so lange leben werdest? Oder ist er etwa nicht blos Philosoph, sondern auch Prophet und Wahrsager und erfahren in den Künsten der Chaldäer, welche die Zukunft auszurechnen verstehen? Denn ich kann doch nicht wohl glauben, daß du auf’s Ungewisse hin, ob du deine Ankunft auf der Tugendhöhe auch erleben werdest, so viele Mühe und Anstrengung bei Tag und bei Nacht erduldetest, da du doch nicht wissen könntest, ob nicht, wenn du schon ganz nahe am Gipfel bist, das Verhängniß über dich kommen, und indem es dich am Beine faßt und herabzieht, deine schönen Hoffnungen vereiteln wird.

Hermotimus. Halt ein, Lycinus, Gott verhüte es! O wäre es mir doch vergönnt, nur einen einzigen Tag die Seligkeit, ein Weiser zu seyn, zu genießen!

Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 520. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0520.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)