Seite:Lucians Werke 0720.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

5. Uns gerade gegenüber, in einer Entfernung von wenigstens noch fünfhundert Stadien, lag eine einzelne, sehr ausgedehnte, aber flache Insel. Als wir uns ihr allmählig näherten, umströmte uns ein so wohlriechender, wunderbar lieblicher Duft, dergleichen nach dem Zeugniß des Geschichtschreibers Herodot[1] das glückliche Arabien um sich her zu verbreiten pflegt; es war das süßeste Gemisch von Gerüchen, wie der Rosen, Narcissen, Hyacinthen, Lilien, Veilchen, Myrten, Lorbeer und Weinblüthen. Entzückt von dieser würzigen Luft, und unter den frohesten Hoffnungen, nun endlich nach so langem Ungemach alles Gute zu finden, was das Herz wünschen mag, waren wir der Insel unvermerkt so nahe gekommen, daß wir rings um dieselbe eine Menge sicherer und geräumiger Landungsplätze, silberhelle Flüsse, die sich sanft in’s Meer verloren, grüne Matten und Hayne sahen, und Singvögel hörten, die allenthalben am Ufer hin, und aus den Zweigen ihre Lieder ertönen ließen. Eine milde, unbeschreiblich wohlthuende Luft umfloß dieses ganze Land: sanft säuselte ihr süßer Hauch durch die Hayne, und flüsterte mit lieblicher, melodischer Geschwätzigkeit in den bewegten Blättern, wie wenn aus einsamer Höhe der Wind in die Querpfeife flötet (die irgend ein frommer Hirt seinem Pan aufgehangen). Mitunter vernahmen wir ein lautes, wiewohl nicht lärmendes, Geräusch vermischter Stimmen, ähnlich der frohen Bewegung bei einem Gastmahl, wenn Gesang und Saiten- und Flötenspiel, Händeklatschen und Beifallrufen durcheinander tönt.


  1. III, 113.
Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 720. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0720.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)