Seite:Lucians Werke 0957.jpg

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zusammen, und die Liebesgötter, die sie unsichtbar umschweben, Wer wird diese im Bilde auszudrücken vermögen?

Polystratus. Nun das muß wahr seyn, Lycinus, du schilderst mir da ein Wunder von Schönheit, dergleichen auf Erden nimmer geboren ward und nur aus dem Himmel herabgestiegen seyn kann. Aber womit war sie beschäftigt, als du sie sahest?

Lycinus. Sie hielt eben ein halbaufgerolltes Buch in der Hand, und schien im Lesen der einen Hälfte noch begriffen zu seyn, die andere aber schon gelesen zu haben. Im Vorübergehen sprach sie mit Einem von ihrer Begleitung, doch nicht so laut, daß ich ihre Worte hätte vernehmen können. Aber sie lächelte und wies eine Reihe von Zähnen – Polystratus! ich kann sie dir nicht beschreiben, wie weiß, wie gleich, wie herrlich zusammengefügt! Denke dir die schönste Schnur von den glänzendsten und gleichsten Perlen, die du je gesehen – so prangte diese Linie von Zähnen: und was ihre Weisse noch mehr hervorhob, war das frische Roth der Lippen; sie schimmerten aus ihnen hervor wie Homer’s polirtes Elfenbein,[1] keiner breiter als der andere, keiner vorstehend oder abstehend von den andern, wie man sonst so häufig sieht, sondern alle von gleicher Form, Farbe, Höhe und gleich fest an einander geschlossen. Mit Einem Worte, mein Lieber, die ganze Erscheinung war ein wundervoller und alle menschliche Schönheit weit übertreffender Anblick.

10. Polystratus. Halt! – dieses Alles, und daß


  1. Odyss. XVIII. Minerva goß über die Penelope ambrosische Schönheit, und (v. 196) „schuf sie weisser als Elfenbein, das der Künstler geglättet.“
Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 957. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0957.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)