Seite:Lucians Werke 0967.jpg

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sondern wollen mit Gewalt einen immer höhern Flug erzwingen; und so geht es ihnen denn, wie dort dem Icarus: das Wachs ihrer Flügel schmilzt nachgerade, die Schwingen lösen sich, und sie stürzen unter dem Gelächter der Zuschauer kopfüber in die Fluthen; die aber wie ein weiser Dädalus mit ihren Fittigen umzugehen wissen, und stets eingedenk, daß sie nur von Wachs sind, ihre Schwungkraft weislich zu Rathe halten und als bescheidene Sterbliche niedrig genug über den Wogen schweben, um ihre Flügel von ihnen angefrischt werden zu lassen, statt sie immer den Sonnenstrahlen entgegen zu breiten – diese fliegen mit Verstand und darum sicher. Und eben Das ist’s, was auch an dieser Frau so ganz vorzüglich gerühmt werden muß. Sie verdient, daß alle Welt ihr dafür mit dem aufrichtigen Wunsche lohne, daß der Flug ihres Glückes von Dauer seyn und fortan noch eine reiche Fülle alles Guten ihr zuströmen möge.

22. Lycinus. Das wollen die Götter! Sie verdient es um so mehr, da sie nicht wie Helena blos dem Körper nach schön ist, sondern unter diesen äußeren Reizen eine noch weit schönere und liebenswürdigere Seele birgt. Aber auch unser guter und menschenfreundlicher Monarch verdient zu dem vielen Schönen und Guten, das ihm geworden, auch noch das Glück, daß ein solches Weib unter seiner Regierung geboren werden, daß es sein Weib werden, daß es ihn lieben mußte. Denn in der That, für eine große Gunstbezeugung des Glückes muß eine Frau gelten, auf welche jene Homerischen Worte mit Wahrheit angewendet werden können:[1]


  1. Iliad. IX, 389 f.
Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 967. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0967.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)