Seite:Lucians Werke 1166.jpg

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Micyll. Oho, was du nicht sagst! Also auch ein Weib ist unter andern der große Pythagoras geworden? Gewiß war auch einmal eine Zeit, wo mein vortrefflicher Hahn Eier legte. Also im Ernste, du warst Aspasia, schliefst bei Perikles, wurdest schwanger von ihm, spannst Wolle und webtest, und führtest das Leben einer ausgemachten Buhlerin?

Der Hahn. Alles Das that ich, aber nicht ich allein, sondern vor mir schon Tiresias und Cäneus, des Elatus Sohn, so daß alle deine Spöttereien, die mir gelten sollen, auch zugleich Jene treffen.

Micyll. So sage mir doch, welches Leben gefiel dir besser, als du Mann warst, oder da du bei Perikles schliefst?

Der Hahn. Was das für eine Frage ist! Weißt du nicht, wie schlimm einst die Antwort auf die Nämliche dem Tiresias bekam?

Micyll. Nun wenn du mir es auch nicht sagen willst, so hat ja schon Euripides die Sache hinlänglich entschieden, wenn er die Medea [Med. 252. f.] sagen läßt, daß sie lieber dreimal in der Feldschlacht unter Waffen stehen, als Einmal gebären wollte.

Der Hahn. Ich werde dich daran erinnern, Micyll, wenn du einmal in Kindesnöthen liegen wirst. Denn auch du wirst mehr als einmal im Kreislauf deiner Verwandlungen zu einem Weibe werden.

Micyll. Daß du ersticktest, vertrackter Hahn! Meinst du denn, alle Leute müssen Milesier oder Samier seyn? Von dir sagt man freilich, du wärest schon als Pythagoras in deiner Jugend dem Samischen Tyrannen [Polykrates] oft genug Aspasia gewesen.

Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 1166. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_1166.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)