Seite:Lucians Werke 1288.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Leute von den guten unterscheiden soll, zumal da die Merkzeichen bei den Menschen nicht so zu Tage liegen, als bei den Münzen? Beklagt sich darüber ja doch schon der weise Euripides, wenn er sagt:

Dem schlechten Manne hat kein Merkmal die Natur,
Woran er leichtlich kennbar wäre, aufgedrückt.[1]

Um so größer ist also die Kunst des Parasiten, da er so versteckte und unsichtbare Dinge, besser noch als selbst ein Prophet, durchschaut und kennt.

5. Ferner zu wissen, was man jederzeit Geschicktes zu reden und zu thun hat, um sich dem Tischherrn immer näher zu bringen, und ihm seine Ergebenheit zu bezeugen, ist Das nicht eine Sache tüchtiger Wissenschaft und Einsicht? Was meinst du?

Tychiades. Du magst Recht haben.

Simon. Und bei den Mahlzeiten selbst allen Vortheil immer auf seiner Seite haben, und dennoch lieber gesehen seyn, als alle Die, welche dieselbe Kunst nicht besitzen, glaubst du denn, daß sich Dieß ohne ein gewisses kunstgerechtes Studium bewerkstelligen lasse?

Tychiades. Ich denke nicht.

Simon. Oder meinst du vielleicht, die Vorzüge und Fehler jedes einzelnen Gerichtes lassen sich von jedem Pinsel nur so zum Zeitvertreibe kennen lernen? Sagt nicht schon der göttliche Plato: „Wer zu Gaste ißt, und von der Kochkunst Nichts versteht, wird über die aufgetischten Speisen ein minder zuverlässiges Urtheil fällen?“[2]


  1. Eurip. Medea 515. f.
  2. Im Theätet T. II p. 126. Dip.
Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 1288. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_1288.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)