Seite:Lucians Werke 1522.jpg

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einige Aufmerksamkeit gewidmet habe. Dieß wäre vielmehr nur dem Arzte zum Verdienste anzurechnen, welcher diese Dinge kennen muß, um ihnen mit der Hülfe seiner Kunst zu begegnen. Was mich betrifft – indessen, bei’m Gotte der Freundschaft! verübelt mir nicht die Vergleichung mit einem solchen Thiere – so scheint mir mein Verlangen nach Euch nicht unähnlich zu seyn dem Durste Derer, welche von einer Dipsade gebissen worden sind. Je häufiger ich vor Euch erscheine, desto mehr wächst mir die Lust darnach, desto unwiderstehlicher, ja brennender wird mein Durst (nach Eurem Beifall), und ich glaube dessen nicht satt werden zu können. Gleichwohl finde ich dieß sehr natürlich. Denn wo anders fände ich eine so lautere, so spiegelklare Quelle? Verarget es mir also nicht, wenn ich mit einem so süßen, so wohlthätigen Bisse an der Seele verwundet, mit dem Kopfe selbst unter den Born mich stelle und in vollen Zügen trinke. Möchte nur nie versiegen, was von Euch mir zuströmt; möchte Euer Verlangen, mich zu hören, nie sich erschöpfen und einem trostlosen Durste mich überlassen! Käme es nur auf mein Verlangen an, das mich zu Euch führt, Nichts sollte mich abhalten, ewig zu trinken. Denn wohl hat der weise Plato recht: „Des Schönen wird man nimmer satt!“

Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 1522. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_1522.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)