Seite:Lucians Werke 1812.jpg

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Frage: „wohin so hastig?“ wenn ihr die Wahrheit sagen wolltet, antworten: „wohin unsere Leidenschaften wollen;“ oder, im Einzelnen: „wohin die Wollust, die Ehrsucht, die Gewinnsucht will.“ Ein andermal ist es der Zorn, die Furcht, oder irgend ein anderer Affekt, der euch mit sich fortreißt. Denn ihr lasset euch nicht von einem und demselben, sondern zu verschiedenen Zeiten von sehr verschiedenen Pferden dahingetragen: aber da sie alle den Koller haben, so rennen sie mit euch über jähe Höhen in tiefe Gründe, und ihr stürzt, eh’ euch ahnte, daß ihr stürzen werdet.

19. Aber dieses mein Mäntelchen, worüber ihr euch lustig machet, mein ungeschorenes Haar, mein ganzes Aussehen, hat die große Kraft in sich, daß ich ruhig und sorgenfrei leben, und thun kann, was ich will, und umgehen, mit Wem ich will. Denn eben wegen dieses Aufzuges haben die Unweisen und Ungebildeten keine Lust, mir zu nahe zu kommen: und vollends die Weichlinge gehen mir schon von ferne aus dem Wege. Mir nähern sich nur die Vernünftigsten, die Rechtschaffensten, die Liebhaber der Tugend: sie suchen meinen Umgang, und mit ihnen allein bin ich gerne zusammen. An den Thüren Derer hingegen, die ihr glücklich nennt, warte ich nicht auf. Ihre goldenen Kränze, und ihren Purpur halte ich für eitlen Tand, und sie selbst verlache und verachte ich.

20. Damit Du aber doch wissest, daß Du Dich über ein Aeußeres belustigest, welches nicht nur weisen Sterblichen, sondern auch den Göttern angehört, so betrachte einmal die Bilder der Götter. Wem sind sie ähnlicher, euch, oder mir? Gehe umher und beschaue die Tempel – nicht nur

Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 1812. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_1812.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)