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Der Erdbeerkönig

Es war einmal ein Mägdelein; kreuzbrav und schön wie der junge Tag, doch es besaß keinen roten Heller, so daß es schon seit mehreren Jahren bei einem reichen Bauern als Magd diente.

Magdalies, so hieß daß Mägdelein, war aber an Arbeit gewöhnt, und so tat sie diese gern, war fröhlich und wohlgemut, trotzdem sie einem gar unfreundlichen Ehepaar diente, denn vom Bauern sowohl wie von dessen Frau bekam sie selten ein gutes Wort zu hören.

Wenn sie aber draußen im Felde oder im Walde war, wo sie allerlei Arbeit für den Bauern zu verrichten hatte, dann sang sie wie eine Lerche, daß es eine Freude war, es zu hören, dann vergaß sie jeden Kummer, der sie etwa drückte.

Sie war gern im Walde. Gar oft im Jahre mußte sie Holz dort holen, daß ihr Rücken zuweilen von der schweren Last schmerzte und blaue Flecken bekam, denn Magdalies war zart und fein gebaut, und ihre weiße Haut gar empfindlich, daher die Bäuerin, die fast so dick wie lang war, die arme Magd oft im Spott „Prinzessin“ nannte.

Gar vieles hatte Magdalies außer dem Holzsuchen noch im Walde zu schaffen, denn wenn sie keine andere Arbeit mehr zu besorgen hatte, dann mußte sie von dort herbeischaffen, was die Jahreszeit bot. Beeren und Kräuter, die die Bäuerin in der Stadt verkaufte oder aus denen sie allerhand Heiltränke bereitete, späterhin Bucheckern, Schwämme und trockenes Laub.

Empfohlene Zitierweise:
Elsbeth Montzheimer: Märchen. Leipziger Graphische Werke AG, Leipzig 1927, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%A4rchen_(Montzheimer)_027.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)