Seite:Märchen (Montzheimer) 030.jpg

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„O, Herr,“ versetzte Magdalies, „der Wald ist des Königs Eigentum, gebührt es da nicht Euch, als einem Freunde des Königssohnes, von den roten Beeren zu essen, soviel es Euch beliebt? Vielmehr muß ich Euch danken, daß Ihr mich nicht zu schlecht hieltet, solche aus meinen Händen anzunehmen.“

„Du bist bescheiden, Mägdelein,“ entgegnete der Ritter. „Das gefällt mit wohl. Und wenn du mir das Recht an diesen Beeren zusprichst, so hast du doch die Mühe des Pflückens gehabt. Hier, nimm dieses dafür.“

Er reichte Magdalies ein Goldstück.

Doch erschrocken zurückweichend, wehrte sie: „Nein, Herr, das Geld nehm’ ich nimmer, denn verdient hab’ ich’s nicht, und brächt’ ich’s der Bäuerin, dächte sie wohl gar, ich hätt’s gestohlen.“

„Du brauchst es ihr ja nicht zu geben.“

„O, Herr, wenn ich auch arm bin, aber mein ehrlicher Name ist halt mein bester Besitz, den ich nimmer verlieren möcht’. Und für die Bäuerin, der ich diene, muß ich die Beeren pflücken. So gehört auch ihr, was ich damit verdiene. Laßt mich gehen, Herr, daß ich schnell die versäumte Zeit einhole.“

Der Ritter zog darauf eine Feder aus seinem Barett, die er Magdalies mit den Worten reichte: „So nimm wenigstens dieses Pfand meiner Dankbarkeit hier, das vielleicht einst der Königssohn einlösen wird. Bewahre die Feder auf; und wenn du einmal mit Beeren ins Schloß kommst, zeige dies Ding den Wächtern; dann werden sie dich einlassen.“

Magdalies trat wieder erschrocken zurück. „Ich,“ stammelte sie, „ich schlichte Magd sollte mich ins Schloß getrauen? Selbst die Bäuerin, obschon sie etwas vorstellen will, hat mit ihren Beeren das noch nicht einmal gewagt.“

Der Ritter blickte wieder einige Augenblicke nachdenklich vor sich hin, dann befragte er Magdalies über ihre Eltern, ihren

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Elsbeth Montzheimer: Märchen. Leipziger Graphische Werke AG, Leipzig 1927, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%A4rchen_(Montzheimer)_030.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)