Seite:Märchen (Montzheimer) 032.jpg

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Tief gekränkt vernahm die Jungfrau diese höhnenden Worte. Sie kannte die Art der Bäuerin nur zu wohl; doch da sie auf der Welt niemanden besaß, der sie in Schutz nehmen konnte, so hatte sie bei andern Anlässen keine Widerrede gewagt, sondern mit Sanftmut alles ertragen. Daß die Bäuerin aber solche Meinung vom dem edlen Ritter hegte, das konnte Magdalies nicht zulassen, und so verteidigte sie ihn mit edlem Eifer, indem sie auch von dem Goldstück erzählte.

Doch nun entbrannte erst recht der Zorn der Bäuerin. Sie machte, da sie sehr geldgierig war, der armen Magdalies die bittersten Vorwürfe, daß sie das Goldstück nicht genommen hatte, auf das die Bäuerin begründeten Anspruch zu haben glaubte.

Nun begannen noch weit freudlosere Tage für die arme Magdalies.

Zwar wurde sie noch oft in den Wald geschickt, um Beeren oder andere Dinge dort zu holen, da der dicken Bäuerin das Bücken gar beschwerlich fiel, aber sie hatte jedesmal ein Verhör zu bestehen, ob sie den Ritter nicht gesehen habe.

Magdalies sang nun noch selten unter dem grünen Laubdach, sondern ließ das Köpfchen oft wie ein betrübtes Vöglein hängen.

Es war seit jenem Zusammentreffen im Walde schon eine geraume Zeit vergangen; das Laub begann sich hier und dort schon gelblich zu färben.

Da kam die Bäuerin eines Tages ganz aufgeregt aus der Stadt zurück. Sie hatte die letzten, von Magdalies noch mühsam gesuchten Erdbeeren dort hingebracht und guten Verdienst damit gehabt.

Nun erzählte sie, daß in der Stadt große Aufregung geherrscht habe, da der König schwer erkrankt sei. Herolde seien durch die Straßen gezogen, die verkündigt hätten, daß seine Leibärzte Walderdbeeren für ihn brauchten. Wer die schönsten

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Elsbeth Montzheimer: Märchen. Leipziger Graphische Werke AG, Leipzig 1927, Seite 32. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%A4rchen_(Montzheimer)_032.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)