Seite:Märchen (Montzheimer) 096.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Kampf entgegengetreten wäre, wie das sonst seine Art war. Aber es galt ja, den bösen Zauberer zu überwinden und damit viele Menschen zu retten; vor allem mußten auch die armen Jungfrauen vor noch größerer Schmach bewahrt werden.

Also verursachte Balduin ein Geräusch, daß der Zauberer sich umwandte, wobei er natürlich den Königssohn erblickte. Dieser wich vor dem über alle Begriffe häßlichen und boshaften Gesicht des Zauberers unwillkürlich einen Augenblick zurück, doch schnell gefaßt, sprach er: „In der Wildnis verirrt, erblickte ich das Schloß hier, wo ich hoffte, ein Obdach zu finden. Ihr seid gewiß ein Alchymist; das Gold dort im Kessel verrät es mir. Ich hab’ auch meinen Spaß daran. Darf ich Euch als Dank für ein Nachtquartier vielleicht dabei behilflich sein? Man braucht dazu viel Gold. Ich habe solches.“

Gierig hafteten des Alten böse Blicke auf dem Sprechenden. Seine kralligen Hände streckten sich aus: „Gebt her, schnell, das kann ich brauchen.“ Die Augen glühten, und unersättlich schien seine Goldgier geworden.

Balduin gab bereitwillig, was der Goldfasan ihm gespendet.

Als der Zauberer sich über den Kessel beugte und eifrig rührend an nichts zu denken schien als an seine Beschäftigung, da zuckte einen Augenblick Balduins Hand nach dem Schwert. Doch schon richtete sich der Zauberer wieder auf; der günstige Augenblick war vorbei.

Aber jetzt fiel Balduin das Goldei ein. Er holte es hervor, ließ es aber zur Erde gleiten. Gierig bückte sich der Zauberer tief, um das rollende Ding zu erhaschen. Im gleichen Augenblick sauste Balduins Schwert mit gewaltigem Hieb gegen den Höcker des Zauberers.

Aber so wuchtig das Schwert auch herniedergesaust war, daß es wohl gleich zwei Höcker hätte abrasieren können, dem Zauberer verursachte es nur eine unbedeutende Wunde und – prallte ab.

Empfohlene Zitierweise:
Elsbeth Montzheimer: Märchen. Leipziger Graphische Werke AG, Leipzig 1927, Seite 96. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%A4rchen_(Montzheimer)_096.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)