Seite:Maehrchenkranz fuer Kinder 047.jpg

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zu leiden brauchten, sondern sich sogar einen Edelhof hätten kaufen können, wenn sie sonst gewollt hätten.


9.
Von dem Maßholderbaum.

Es war einmal ein Mann, der war sehr reich, und hatte eine fromme Frau. Beide lebten sehr vergnügt in ihrer Ehe, und ihnen fehlte weiter nichts in der Welt, als daß ihnen Gott Kinder geschenkt hätte; da sie aber keine hatten, so betete die Frau Tag und Nacht, daß ihnen Gott dies Glück bescheeren möchte.

Endlich einmal, als gerade Winter war, und Schnee draußen lag, ging die Frau über den Hof vor ihrem Hause, wo ein Maßholderbaum stand, und schälte sich einen Apfel, und weil das Messer scharf war, so schnitt sie sich in die Finger, daß das rothe Blut auf den Schnee unter dem Maßholderbaum tropfte. Als das die Frau sah, so seufzte sie hoch auf, und sprach in ihrem Herzen: „Ach, wenn ich doch ein Kind hätte, so roth wie dies Blut, und so weiß, als der Schnee!“ – Und als sie das sagte, so wurde ihr recht fröhlich zu Muthe, und es war ihr, als wenn es so geschehen müßte.

Hierauf kehrte sie in das Haus zurück. Der Winter ging hin, und der Frühling kam her; da blühete der Maßholderbaum, und setzte Frucht an.

Nun wurden die Tage länger, denn es war Sommer, und die Früchte an dem Maßholderbaum wuchsen und reiften; und als der Herbst kam, da aß die Frau von der Frucht des Baumes so hastig, daß ihr weh um das Herz wurde, und bald darauf gebar sie einen Sohn, der war so weiß,