Seite:Maehrchenkranz fuer Kinder 048.jpg

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wie Schnee, und roth wie Blut. Darüber freuete sie sich dermaßen, daß sie starb.

Da weinte ihr Mann, und konnte sich gar nicht trösten. Er begrub seine Frau unter dem Maßholderbaum, und besuchte alle Morgen und Abend ihr Grab. Aber am Ende tröstete er sich doch, und nahm sich eine andere Frau.

Als er mit ihr ein Jahr zusammen gelebt hatte, so bekam sie eine Tochter, die nannte sie Marlenchen, und gewann sie über die Maßen lieb: denn sie war ihre rechte Tochter. Aber je mehr sie Marlenchen liebte, je mehr haßte sie ihren Stiefsohn, ob er gleich so weiß wie Schnee, und so roth wie Blut war. Wo er ging und stand, da war er ihr im Wege; immer hatte sie an ihm zu schelten und zu tadeln, und wenn sie ihm ein Loch zustopfen, oder ein neues Kleidungsstück anschaffen sollte, so ging es nicht ohne Stöße und Schläge ab. Wenn Marlenchen Honigsemmel bekam, so mußte er trocken Brot essen, und die Mutter sagte: „Wenn er nur erst todt wäre, so könnte meine Tochter Haus und Hof und das ganze Vermögen allein erben.“

Einmal war er in der Schule, da stieg die Mutter auf den Boden über der Stube, und Marlenchen ging ihr nach in die Kammer. Daselbst stand eine große Lade mit einem schweren, eisernen Deckel.

„Gieb mir einen Apfel, Mutter!“ sagte Marlenchen. Da schloß die Mutter die Kiste auf, und langte ihr einen Apfel heraus. – „Soll Brüderchen nicht auch einen haben?“ fragte Marlenchen. Das verdroß die Mutter, und sie nahm ihrer Tochter den Apfel wieder aus der Hand, und sagte: „Wenn dein Bruder aus der Schule kommt, so sollt ihr Beide einen haben.“

Da ging Marlenchen hinunter, und wollte sehen, ob der Bruder käme. Die Mutter aber blieb auf der