Seite:Maehrchenkranz fuer Kinder 143.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Schneewittchen blieb nun bei den Zwergen; aber die Königinn meinte, sie wäre todt, und folglich wäre sie wieder die Schönste im Lande. Darum trat sie Morgens vor den Spiegel, und fragte:

Spiegel, Spiegel an der Wand,
Wer ist die Schönst’ im ganzen Land?

Da antwortete der Spiegel:

Ihr seyd die Schönste hier,
Aber Schneewittchen bei den sieben Zwergen ist tausendmal schöner, als Ihr!

Als das die Königinn hörte, erschrak sie, und sah wohl, daß sie betrogen worden, und der Jäger Schneewittchen nicht getödtet hätte. Weil sie nun wußte, daß die sieben Zwerge draußen im Walde hinter den sieben Bergen wohnten, so schloß sie gleich, daß Schneewittchen sich zu denselben gerettet haben müßte, und sann von Neuem darauf, wie sie dieselbe tödten möchte: denn so lange der Spiegel nicht sagte, daß sie die schönste Frau im Lande wäre, hatte sie keine Ruhe. Sie verkleidete sich deshalb selber in eine alte Krämerinn, färbte ihr Gesicht ganz gelb, daß sie auch kein Mensch erkannte, und ging hinaus vor das Zwerghaus. Sie klopfte an die Thür, und rief: „Macht auf, macht auf, ich bin die alte Krämerfrau, die schöne Waare feil hat!“ Schneewittchen öffnete das Fenster, und guckte hinaus. „Was habt Ihr denn?“ fragte sie. „Schnürband, liebes Kind,“ sagte die Alte und holte eines hervor, das war von gelber, rother und blauer Seide geflochten; „willst du das haben?“ – „Ei ja,“ sprach Schneewittchen, und dachte: die alte gute Frau kann ich wohl hereinlassen, die meint es redlich; sie riegelte also die Thüre auf, und erhandelte sich das Schnürband. „Aber wie bist du denn so lose geschnürt,“ sagte die Alte; „komm, ich will dich einmal schnüren, wie es ordentlich seyn muß.“

Schneewittchen stellte sich vor sie hin. Da nahm