Seite:Maehrchenkranz fuer Kinder 178.jpg

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lag; und so wie sie Alle berührt hatte, so schliefen sie auch sammt und sonders ein, um nicht eher wieder zu erwachen, wie ihre Herrinn. Ja, es war zum Erstaunen. Die Bratenwender voll Rebhühner, und der Dreifuß auf dem Herde, ja selbst das Küchenfeuer und die Tauben in der Bratpfanne überließen sich gleichfalls der Ruhe. Und alles dies geschah in einem Augenblick: denn man muß wissen, die Feen sind sehr geschwind in ihren Geschäften.

Nun küßten der König und die Königinn ihr Kind noch ein Mal, und verließen das Schloß, dem sich fortan niemand mehr nähern durfte. Dies Gebot war indeß überflüssig, denn weiter als eine Viertelmeile rund um das Gebäude schoß ein so dichter und wild verwachsener Wald empor, daß weder Mensch noch Thier durch das verschlungene Gesträuch hindurchzudringen vermochte, und man nur aus weiter Ferne die Zinnen und Thürme der Burg wahrnehmen konnte. Ohne Zweifel hatte die Fee dies so veranstaltet, damit kein unbescheidener Neugieriger sich der Prinzessinn nähern, und sie in ihrem Schlafe stören möchte.

Viele Prinzen wußten, daß ein gar schönes und liebliches Röslein im Schlosse war, und kamen und wollten es befreien, wollten mit dem Schwerte die Dornhecken zerhauen, oder sich durchdrängen, aber das half nichts. Blutig gerissen kehrten sie wieder zurück, und manche sollen sogar in den Dornhecken kläglich umgekommen seyn. Seit der Zeit hieß die Prinzeß Röslein nur – Dornröslein.

So stand das Schloß und das Dorngehege nun schon hundert Jahre, und niemand wußte mehr, was in dem Schlosse vorgegangen war, als ein einziger alter Mann im Lande, dem es sein Großvater erzählt hatte, und der in der Nähe des Schlosses wohnte. Als nun eines Tages der Sohn des damals regierenden Königs, der von einer andern Familie stammte, als die schlummernde Prinzessinn, in der