Seite:Max Weber - Der Nationalstaat und die Volkswirtschaftspolitik Seite 31.jpg

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politisch reif oder auf dem Weg zur politischen Reife, der wäre ein Schmeichler und strebte nach der fragwürdigen Krone der Popularität.

Oekonomisch sind die höchsten Schichten der deutschen Arbeiterklasse weit reifer, als der Egoismus der besitzenden Klassen zugeben möchte, und mit Recht fordert sie die Freiheit, auch in der Form des offenen organisierten ökonomischen Machtkampfes ihre Interessen zu vertreten. Politisch ist sie unendlich unreifer, als eine Journalistenclique, welche ihre Führung monopolisieren möchte, sie glauben machen will. Gern spielt man in den Kreisen dieser deklassierten Bourgeois mit den Reminiscenzen aus der Zeit vor 100 Jahren – man hat damit in der That erreicht, daß hier und da ängstliche Gemüter in ihnen die geistigen Nachkommen der Männer des Konvents erblicken. Allein sie sind unendlich harmloser, als sie selbst sich erscheinen, es lebt in ihnen kein Funke jener katilinarischen Energie der That, aber freilich auch kein Hauch der gewaltigen nationalen Leidenschaft, die in den Räumen des Konventes wehten. Kümmerliche politische Kleinmeister sind sie, – es fehlen ihnen die großen Machtinstinkte einer zur politischen Führung berufenen Klasse. Nicht nur die Interessenten des Kapitals, wie man die Arbeiter glauben macht, sind heute politische Gegner ihrer Mitherrschaft im Staate. Wenig Spuren der Interessengemeinschaft mit dem Kapital fänden sie bei Durchforschung der deutschen Gelehrtenstuben. Aber: wir fragen auch sie nach ihrer politischen Reife, und weil es für eine große Nation nichts Vernichtenderes giebt, als die Leitung durch ein politisch unerzogenes Spießbürgertum, und weil das deutsche Proletariat diesen Charakter noch nicht verloren hat, deshalb sind wir seine politischen Gegner. Und weshalb