Seite:Meier Volksmärchen aus Schwaben 047.jpg

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9. Die Schultheißen-Wahl.

In einem Dorfe mußte ein neuer Schultheiß gewählt werden. Da wurde bekannt gemacht, daß wer den besten Reim machen könne, der solle Schultheiß werden. Darauf besannen sich drei Leute, ein Jäger, ein Bauer und ein Hirt lange Zeit, weil sie gar zu gern Schultheiß geworden wären, und brachten auch alle drei einen Reim heraus. Der Jäger wollte sagen:

Ich bin der Jäger Geil,
Ich führ’ mein’n Hund am Seil.

Und der Bauer wollte sagen:

Ich bin ein Bauer stolz,
Ich führ’ einen Wagen Holz.

Der Hirt aber hatte sich folgenden Reim ausgedacht:

Der April ist nicht so gut,
Er schneit dem Hirten auf den Hut.

Als nun der Tag da war, wo ein jeder seinen Reim vorbringen sollte, da sprach zuerst der Jäger:

Ich bin der Jäger Geil,
Ich führ’ meinen Hund am Bändel.

„Ei, das ist ja gar kein Reim!“ sprachen die Richter, worauf sich der Bauer erhob und sagte:

Ich bin ein Bauer stolz,
Ich führ’ ein’n Wagen Scheiter.

„Das ist auch kein Reim!“ riefen die Richter. Da kam die Reihe an den Hirten und der sprach:

Der April ist nicht so gut,
Er schneit dem Hirten auf sein Bareitle.

Empfohlene Zitierweise:
Ernst Meier: Deutsche Volksmärchen aus Schwaben. Scheitlin, Stuttgart 1852, Seite 47. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meier_Volksm%C3%A4rchen_aus_Schwaben_047.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)