Seite:Meier Volksmärchen aus Schwaben 061.jpg

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sogar der Räuber Matthes nicht verloren sein werde, wenn er ein aufrichtiges Bekenntnis ablege. Dann versprach ihm der Jüngling, daß er wieder zu ihm kommen wolle, sobald er Priester geworden sei. Das dauerte aber noch zwölf Jahre.

Nach dieser Zeit, als der junge Mann zum Priester geweiht war, machte er sich auf den Weg zu dem Greise, und traf ihn noch ebenso wie vor zwölf Jahren neben dem Apfelbaume auf einem abgehauenen Stumpf knieend, und forderte ihn auf, seine Sünden zu beichten. Da sprach der greise Räuber mit zitternder Stimme: „so viel blutrothe Aepfel auf dem Baume da sitzen, so viel himmelschreiende Mordthaten hab ich begangen. Gott sei mir armen Sünder gnädig!“ – Dann verhieß ihm der Priester, weil er so tiefe Reue zeigte, im Namen Gottes Vergebung, und nachdem er das heilige Abendmahl genoßen, sank er plötzlich zu einem rauchenden Aschenhaufen zusammen; aus der Asche aber stieg eine weiße Taube empor und flog gen Himmel, und das war die erlöste Seele des Räubers Matthes.

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Ernst Meier: Deutsche Volksmärchen aus Schwaben. Scheitlin, Stuttgart 1852, Seite 61. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meier_Volksm%C3%A4rchen_aus_Schwaben_061.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)