Seite:Meier Volksmärchen aus Schwaben 089.jpg

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zu verheirathen gedenke. „Ich will Dich am nächsten Sonntag mit Wagen und Pferden und Bedienten in die Kirche meines Vaters schicken; da mußt Du aber mit Niemanden ein Wort reden, sondern gleich nach der Kirche wieder zurückfahren. So wollen wir den Faden anspinnen.“

Als es nun Sonntag war, legte der Prinz dem Kammerdiener fürstliche Kleider an, ließ ihn mit Dienerschaft und in einem schönen Wagen nach der Schloßkirche fahren, und wie er dort ankam, war die junge Prinzessin schon darin und sah verwundert den fremden Prinzen kommen und dachte: „ei, das ist mal ein schöner Prinz!“ Sie mußte ihn nur immer ansehen und konnte ihn gar nicht genug betrachten, hörte auch beinah nichts von der ganzen Predigt, sondern sprach still in ihrem Herzen etwa so: „ich glaube, der könnte mir gefallen; der ist einmal wirklich schön; den möcht’ ich heirathen!“ Und als die Kirche aus war, lief sie eilends zu ihrem Vater und sagte ihm: „da ist heut ein fremder Prinz in der Kirche gewesen, den muß ich zum Gemahl haben und keinen andern!“ – Als der Vater sich nun nach ihm umsah, war er bereits wieder fortgefahren. Da war die Tochter außer sich und ganz trostlos; der Vater aber sagte ihr: „gib Dich zufrieden! wenn er noch keine Frau hat und er Dich mag, wird er schon wiederkommen.“

Indes war der Kammerdiener wieder bei dem Prinzen und versah die Woche hindurch seinen Dienst. Am nächsten Sonntag aber erhielt er noch schönere Kleider und noch stattlichere Pferde und einen prächtigen Wagen nebst Dienerschaft und fuhr wiederum in die Schloßkirche. Wer da nicht fehlte,

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Ernst Meier: Deutsche Volksmärchen aus Schwaben. Scheitlin, Stuttgart 1852, Seite 89. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meier_Volksm%C3%A4rchen_aus_Schwaben_089.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)