Seite:Meier Volksmärchen aus Schwaben 102.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

gab ihm auch Herberge, fragte ihn aber: was er denn in der Welt so herumlaufe? – „Ich suche Arbeit!“ sagte Hans. – „Wenn das ist, versetzte der Edelmann, so kannst Du bei mir bleiben und meine Schafe hüten; nur mußt Du mir versprechen, daß Du nie in den Wald treiben willst; denn dort sind drei Riesen, und wenn die Dich sähen, so müßtest Du sterben.“ Nein, der Hans sagte, daß er gewiß nicht in den Wald gehen wolle, und hütete im freien Felde und hatte große Freude an der Schäferei.

Eines Sonntags aber, als Hans spazieren gieng, kam er in die Nähe des Waldes, und weil er sich vor Niemand fürchtete, so dachte er: du sollst doch einmal untersuchen, wie es in dem Walde aussieht, und spazierte hinein. – Da kam er an ein Schloß und sah unten im Stalle sechs schöne Schimmel stehen; dann gieng er in das Schloß hinein und spazierte von einem Zimmer in’s andre, konnte aber nirgends einen Menschen gewahr werden. Endlich im obersten Stockwerk, im allerletzten Zimmer, da traf er ein Fräulein, das saß da und fragte ihn ganz verwundert, was er hier wolle? „ich bin spazieren gegangen, sagte Hans, und so bin ich hieher gekommen.“ Da bat ihn aber das Fräulein, er solle doch ja gleich wieder fortgehen; denn wenn die drei Riesen ihn hier anträfen, sagte sie, so würden die ihn umbringen. Allein Hans sagte, er fürchte sich vor Niemand. Darauf schenkte ihm das Fräulein, welches eine verwünschte Prinzessin war, eine Pfeife und sprach: „wenn Du da hineinbläsest, so muß Alles tanzen, was den Ton hört. Nun aber leb wohl, und denke an mich, wenn es Dir gut geht!“

Empfohlene Zitierweise:
Ernst Meier: Deutsche Volksmärchen aus Schwaben. Scheitlin, Stuttgart 1852, Seite 102. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meier_Volksm%C3%A4rchen_aus_Schwaben_102.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)