Seite:Meier Volksmärchen aus Schwaben 129.jpg

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37. Das tapfere Schneiderlein.

Es war einmal ein Schneiderlein, das nähte um Lohn bei einer Bauersfrau; und wie es nun recht fleißig war, da kam eine Fliege nach der andern herbeigeflogen und plagte es; dann aber ließen sie sich nieder auf die Milchtropfen, die das Schneiderlein beim Frühstück verschüttet hatte, also, daß sich allmählig ein ganzer Schwarm dort zusammenfand. Und wie dieser Schwarm eben im besten Zuge war und trank, da nahm das Schneiderlein eine Fliegenpatsche und that einen kräftigen Streich auf die ungebetenen Milchtrinker, so daß ihrer wenige entkamen. Da staunte das Schneiderlein über seine große Kraft und Gewandtheit und begann die schwarzen Leichen zu zählen und zählte von eins bis dreißig. Dabei wurde es ihm ganz wunderbar zu Muth. „Frau, sagte es, ich kann nicht länger Schneider bleiben!“ „Ei, warum denn nicht?“ fragte die Wirthin. „Zählt doch nur! dreißig Stück auf Einen Schlag! Nein, ich bin zu andern Dingen berufen!“ rief das Schneiderlein, ließ Nadel und Scheere und Fingerhut und all sein Geschirr liegen und schrieb auf ein Blatt Papier mit großen Buchstaben: „Ich hab ohne Zorn dreißig todt geschlagen auf Einen Schlag.“ Dieß Blättchen steckte es dann wie einen Schild an seinen Hut und wanderte hinaus in die Welt.

Wie das Schneiderlein nun so mitten auf der Straße dahinzog, kam ein schöner Wagen ihm entgegen, darin saß ein vornehmer Herr; da schritt es grad auf den Wagen los und wich weder zur Rechten noch zur Linken, so daß der

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Ernst Meier: Deutsche Volksmärchen aus Schwaben. Scheitlin, Stuttgart 1852, Seite 129. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meier_Volksm%C3%A4rchen_aus_Schwaben_129.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)