Seite:Meier Volksmärchen aus Schwaben 225.jpg

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endlich kamen sie wirklich an. Da war Alles in dem Schloß auf’s Schönste eingerichtet und der Bräutigam selbst führte seine Braut überall hin und zeigte ihr Alles; nur ein einziges Zimmer schloß er nicht auf. Dann brachte er sie zurück zu den Eltern und hielt nicht lange nachher wirklich Hochzeit mit ihr.

Der jungen Frau aber wollte es auf dem Schloße gar nicht gefallen. Ihr Mann war oft wochenlang fort, ohne daß sie wußte, wo er war, und wenn er dann heimkam, brachte er einen ganzen Haufen roher Menschen mit, die aßen und tranken und spielten, während die arme Frau sich oftmals zu der Mühle zurückwünschte, wo ihre Eltern wohnten. Ganz besonders unheimlich aber war es ihr, daß der Mann ihr so streng verboten hatte, ein einziges Zimmer nie aufzuschließen und nie hineinzusehen. Außerdem gab er ihr jedesmal, wenn er verreiste, ein Ei, welches sie sorgfältig aufheben und nie aus der Hand legen sollte. Das that die Frau denn auch gewißenhaft. Sobald der Mann aber zurückkam, ließ er sich immer gleich das Ei zeigen.

Eines Tages jedoch, als er fort war, konnte die Frau es nicht laßen, die verbotene Thüre zu öffnen, und da sah sie ein ganzes Zimmer voll Leichen und Todtengerippen, und entsetzte sich so darüber, daß sie am ganzen Leibe zitterte und bebte und das Ei fallen ließ. Da war es zerbrochen; und als nun der Mann heimkam und das Ei verlangte, konnte sie es nicht vorweisen. Da merkte er auch aus dem ganzen Aussehen seiner Frau, was sie gethan hatte, und sagte: „nun komm nur mit, jetzt darfst Du in die Kammer,

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Ernst Meier: Deutsche Volksmärchen aus Schwaben. Scheitlin, Stuttgart 1852, Seite 225. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meier_Volksm%C3%A4rchen_aus_Schwaben_225.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)