Seite:Meier Volksmärchen aus Schwaben 261.jpg

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einschlafen, als er einen Hahn krähen hörte. Da suchte er im ganzen Zimmer umher, aber nirgends war ein Hahn zu sehen. Nach einer Weile krähte der Hahn zum zweiten Mal; aber er mochte suchen so viel er wollte, es war kein Hahn zu finden. Wie er nun recht genau aufpasste, wo der Ton wohl herkomme, da krähte der Hahn zum dritten Mal und da merkte er deutlich, daß der Ton aus dem Tische kam und zog sogleich die Schublade auf und richtig: da saß ein „Gokeler“ mit goldnen Federn darin. Nun zog er geschwind sein Meßer aus der Tasche und wollte den Hahn nehmen und schlachten und verzehren; denn er hatte großen Hunger; aber der Hahn redete ihn an wie ein Mensch und sagte: er solle ihn nicht umbringen, sondern sich nur eine Feder aus seinem Schwanze ziehen: mit der könne er sich Alles herwünschen, was er wolle; er brauche es bloß mit der Feder zu schreiben und sogleich werde es da sein. Darauf riß er dem Hahn eine Goldfeder aus und schrieb damit, daß er sich ein gutes Eßen wünsche. Und auf der Stelle war der Tisch mit den besten Speisen und Getränken besetzt, und nachdem er sich gesättigt und gestärkt hatte, schrieb er: er wünsche, daß das Feuer im Walde brenne und er bei seinen Herren wäre und daß diese gut schlafen und ihre Kleider trocken sein möchten. Und kaum war er mit dem letzten Worte fertig, so war er auch schon wieder bei den Offizieren, die schliefen noch fest und ihre Kleider waren getrocknet und das Feuer brannte hell und lustig. Dann weckte er die beiden und reiste mit ihnen weiter; sagte aber nichts von seiner goldenen Feder, weil’s der Hahn ihm verboten hatte.

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Ernst Meier: Deutsche Volksmärchen aus Schwaben. Scheitlin, Stuttgart 1852, Seite 261. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meier_Volksm%C3%A4rchen_aus_Schwaben_261.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)