Seite:Meier Volksmärchen aus Schwaben A 003.jpg

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Vorrede.

Seit die Brüder Grimm vor vierzig Jahren in ihren Kinder- und Hausmärchen[1] das unergründlich reiche Wesen des deutschen Volksmärchens uns wieder erschloßen und den schlichten, reinen Ton, in welchem diese epischen Nachklänge einer längst vergangenen Zeit erzählt sein wollen, in musterhafter Weise getroffen, seitdem hat sich die Liebe der Jungen und Alten von Jahr zu Jahr diesen Ueberlieferungen mehr zugewandt. Fast überall hat man nach solchen einfältigen Erzählungen gelauscht und eine nicht unbedeutende Zahl derselben dem Untergange entzogen. Indes bilden die eigentlichen Märchen immer nur eine verhältnismäßig kleine Beigabe zu den weit reicheren Sagensammlungen. Eine besondere Märchensammlung aus einer bestimmten Gegend Deutschlands besitzen wir außer der Grimm’schen Sammlung nicht; diese aber erstreckt sich, obgleich sie auch aus Süddeutschland einzelne Beiträge enthält, doch wesentlich auf Mittel- und Norddeutschland, speciell auf Heßen; und selbst die späteren Nachlesen deutscher Volksmärchen gehören fast ausschließlich den nord- und mitteldeutschen Gebieten an[2]. Nur im äußersten Norden, bei einem


  1. 1. Bd. 1812. 2. Bd. 1814.
  2. So z. B. Kuhns märkische Sagen und Märchen, 1843 (16 Märchen enthaltend), und desselben Verf. Norddeutsche Sagen, Märchen und Gebräuche, 1848 (mit 19 Märchen). Müllenhoff, Sagen, Märchen und Lieder aus den Herzogthümern Schleswig-Holstein und Lauenburg, 1845 (mit 38 Märchen). E. Sommers Sagen, Märchen und Gebräuche aus Sachsen und Thüringen, 1846 (mit 11 Märchen). Wolfs deutsche Sagen, 1845 (mit 40 Märchen). – Auch in Bechsteins deutschem Märchenbuche beschränken sich die neuen Stücke auf Thüringen. Darunter kommt aber manches entschieden Unechte und Selbsterfundene vor, wie ich hier nur beiläufig bemerken will. So ist [IV] z. B. die Rosenkönigin, S. 35, wohl erst durch die bezauberte Rose von Ernst Schulze veranlaßt worden. Ebenso ist das Märchen S. 39, wie der Teufel den Branntewein erfunden, ein modern-didaktisches und gewiß nicht volksthümliches Stück.
Empfohlene Zitierweise:
Ernst Meier: Deutsche Volksmärchen aus Schwaben. Scheitlin, Stuttgart 1852, Seite III. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meier_Volksm%C3%A4rchen_aus_Schwaben_A_003.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)