Seite:Merckwürdige Nachricht aus Ost-Indien 12.jpg

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so unter ihnen gebräuchlich wären. Ispara wird von den Malabaren für den grösten GOtt gehalten und verehret. Er stehet in einer grossen Pagode allhier, hat drey Augen, unter welchen das eine in der Stirne ist, und alles verbrennen soll, was er ansiehet. Auf beyden Seiten hat er 8. Hände, zusammen sechzehen, in welchen er gantz besondere Dinge hält, ich habe aber dergleichen Mysteria noch nicht alle erforschen können. An seinem Halse hängt eine Schelle, wie die Kühe zu haben pflegen. An der Stirne hat er den halben Monden und ist mit Schlangen und Thiegern bekleidet; Von seiner Grösse sagen sie, daß selbige alle sieben Himmel über sich, und alle sieben Welten unter sich begreiffe. Es soll einsmahls dieser Ispara mit seinen Himmlischen Geistern lustig gewesen seyn, und in Ansehung seiner Grösse sich eingebildet haben, es wäre ihm niemand gleich. Dieses aber habe dem Bramma und Wischtnum sehr verdrossen, daher ein grosser Zanck unter ihnen entstanden, also, daß endlich Bramma seinen einen Kopff dadurch von Ispara verliehren müssen: als aber nachmahls Ispara erkant, daß er damit grosse Sünde gethan, suchet er, dafür wieder Busse zu thun, und gehet 12. Jahr betteln; Was sich hierbey zugetragen, würde sehr weitläufftig zu erzehlen seyn. Wischtnum als er siehet seinen armen Bruder in dergleichen Elend herum wallen, suchet er, wie er ihn davon erlösen möge, und verwandelt sich in eine schöne Jungfrau, da dann wieder allerhand Fabeley vorfället. Dergleichen ungereimte Erzehlungen haben die Malabaren in ihren Versen treflich annehmlich zu lesen gemacht, wollen sie aber keinen Christen zukommen lassen, wenn man ihnen gleich viel Geld anbiethet. Anitzo halte ich einen eigenen Lehrer im Hause, als meinen Diener, von welchem ich hoffe, daß er mir alle Historien ihrer Götter abschreiben werde, darinnen er sehr wohl exerciret ist. Es hat Ispara drey Söhne, so alle in grossen Pagoden als Götter verehret werden, und nebst denen eine Tochter, die eine Princeßin seyn soll unter den himmlischen Jungfrauen, schwartz wie eine Kohle, mit grossen Sau-Zähnen in ihrem Munde. Ich habe sie im Lande auff einem schönen Wagen sitzen sehen; Wie mir denn der Herr Commendant einsmals sein Pferd communicirte, daß ich dergleichen im Lande ein wenig besehen konte. Der dritte GOtt, den die Malabaren allhier in sehr grossen Würden halten, ist Wischtnum, welcher gantz schwartz seyn, und ein Haupt, aber vier Hände haben soll. Es werden von ihm unter vielen andern Märlein zehenerley Verwandelungen gesagt, unter welchen noch die letzte geschehen soll. Dieses mag auch die Haupt-Ursache seyn, warum diese Heyden eine vielfältige Verwandelung der Seelen nach dem Tode glauben. Die erste Verwandelung soll in einen Fisch gewesen seyn, die andere in eine Schild-Kröte, die dritte in ein Schwein, die vierdte halb in einen Löwen und halb in einen Menschen, die fünffte in eine Bramine, die sechste in ein schönes Kind, die siebende in Ram; welcher schon in seinem 12ten Jahre alle verborgene Geheimnisse verstanden, und nachmahlen in der Welt überaus viel Wunder gethan, und seine Braut mit vielen Wunderthaten von einem grossen Könige erworben; und als sie ihm von einen gewaltigen Riesen listigerweise gestohlen worden, habe er sie mit Schmertzen wieder gesuchet, und endlich durch grosses Kämpffen, und Erlegung vieler tausend Riesen, sie aus ihrer Gefangenschafft errettet. Man siehet, daß

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Bartholomäus Ziegenbalg, Heinrich Plütscho: Merckwürdige Nachricht aus Ost-Indien. Joh. Christoph Papen, Leipzig, Frankfurt am Main, Berlin 1708, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Merckw%C3%BCrdige_Nachricht_aus_Ost-Indien_12.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2023)