Seite:Merckwürdige Nachricht aus Ost-Indien 13.jpg

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die blinden Leute etwas von Christo gehöret, und solches in Fabeln verkehret haben. Von der achten Verwandelung wissen die Heiden selbst nichts gewisses. Die neunte soll geschehen seyn in eines Menschen Gestalt, welchen sie sitzend abbilden, als einen, der mit niedergeschlagenen Augen Tag und Nacht den grossen GOtt anruffet; welches er, ihrem Vorgeben nach, viel tausend Jahre thun müste, eh er davon befreyet würde. Und das wäre diejenige Zeit, darinnen sie itzo lebeten. Dem Ansehen nach hat das arme Volck von Christi Fürbitte ehemalen etwas gehöret. Endlich solte (weil sie vom Jüngsten Gericht gleichfalls einige Nachricht gehabt) seine zehende und letzte Verwandelung geschehen in ein weisses fliegendes Pferd, zu welcher Zeit die Sünden unter den Menschen würden recht groß werden also daß solches Pferd seinen jetzt schon auffgehabenen Fuß, zu dero Bestraffung, würde so derb auff die Erde niedersetzen, daß dadurch die grosse Schlange, so dieselbige träget, davon sehr erschüttert, die Welt werde fallen lassen, und mit derselbigen ein Ende machen, da denn eine andere Welt ihren Anfang nehmen werde. Diß ist ein kurtzer Abriß von ihrer thörichten Theologie: Nun könte noch sehr vieles von ihrer Philosophie gesaget werden, ich will aber kürtzlich nur folgendes zur Nachricht geben. Sie statuiren, daß sieben Himmel und sieben Welten seyen, welche allesamt von einer grossen Schlangen getragen würden. In der Physica und Mathesi scheinen sie nicht sonderliche Wissenschafft zu haben, ob es ihnen gleich sonst an natürlicher Fähigkeit nicht fehlet: Sie schreiben der Sonnen, dem Mond und andern Sternen menschliche Seelen zu. Die Sonne soll sieben Augen haben, davon sie an itzo nur eines offen, und wenn sie würde die andern auffthun, könte für ihrer Hitze kein Mensch leben; Vom Donner sagen sie, daß die Wolcken redeten: Sie glauben viel Engel, deren ein jeder sein eigenes Officium[1] habe – Sie statuiren keine Aufferstehung der Leiber, aber die Umwandelung der Seelen, in andere Menschen, Hunde, Schlangen, etc. Daher sagen sie: wer in diesem Leben andere beleidiget[2], der müsse nach seinem Tode deren Sclave werden; Die Welt sey schon dreymal mit Wasser untergangen, und würde noch einmahl mit Wasser vergehen: Die Menschen wären anfänglich 400. Ellen lang gewesen, nachmahls aber immer kleiner geworden, biß sie endlich nur einer Spannen lang seyn würden; Ihre Jahr-Zahl von der Welt an ist schon über viel tausend mahl tausend. Ich werde endlich gantz müde, etwas mehrers von dergleichen albernen Dingen zu erzehlen. GOtt erbarme sich des armen Volcks, und gebe denen Christen zu erkennen, wie höchlich sie Ihm gegen das auffgegangene Licht des Evangelii rechtschaffen zu dienen verbunden sind, damit sie warhafftig des Lichts Kinder seyn mögen. Der Gnade JEsu Christi uns empfehlende, verbleibe ich

Meines werthgeschätzten Herrns und Gönners
Trangebar, den 2. Sept. 1706. Zu Gebet und Liebe verbundener
B. Z.

  1. lat.: Amt, Aufgabe
  2. anderen Leid zufügt
Empfohlene Zitierweise:
Bartholomäus Ziegenbalg, Heinrich Plütscho: Merckwürdige Nachricht aus Ost-Indien. Joh. Christoph Papen, Leipzig, Frankfurt am Main, Berlin 1708, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Merckw%C3%BCrdige_Nachricht_aus_Ost-Indien_13.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2023)