Seite:Merckwürdige Nachricht aus Ost-Indien 18.jpg

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eingesehen habe; so erkenne ich mich, nach der gegen sie tragenden hertzlichen Liebe, verbunden zu seyn, von diesen hiemit denenselben eine kleine Nachricht zu ertheilen. Vor allen Dingen muß ich bekennen, daß es unter diesen Heiden eine schwere Sache ist, einen aus seiner Blindheit zu dem Lichte des heiligen Evangelii zu bringen. Denn erstlich haben sie wegen des ärgerlichen Lebens derer Christen ein ungemeinen Abscheu gegen das Christenthum, also, daß sie es für grosse Sünde achten, mit einem Christen zu essen oder zu trincken; ja sie meinen, daß unter allen Völckern die Christen am schlimmsten und schädlichsten wären. Zum andern kömt ihnen ihr Götzen-Dienst weit angenehmer und warhafftiger vor, als die Lehre von Christo, in dem selbiger, ihrem Vorgeben nach, weit älter sey, als diese, und nach ihrer Einbildung auch weit erfreulichere Dinge in sich begreiffe, als unser geoffenbahretes Wort GOttes, daß ihnen lauter verdrießliche Sachen fürzutragen scheinet, und nur hauptsächlich auff den innerlichen Dienst des Gemüthes sein Absehen hat: Da hingegen sie mit lauter materialischen und in die Sinne fallenden Dingen zu thun haben wollen, dergleichen ihre Götzen sind. Ob gleich einige der Thorheit ihres Weges dermassen von uns überzeuget worden, daß sie bekant, es wäre nur ein einiger GOtt, die andern Götter aber wären nur dessen Diener: so erkennen sie um deßwillen doch nicht eben nöthig zu seyn, daß sie dahero unsere Religion annehmen, und selbige allein für warhafftig halten müsten: indem sie glauben, daß ein jeder, der nur in der Welt gut gelebet, dermaleins auch ein gut Lugas, wie sie reden, nach seinem Tode bekommen würde; er möchte im übrigen seyn, wer er wolte. Ja, heute verlangeten etliche gäntzlich von uns, daß wir ein Buch von unserer Christlichen Lehre ins Feuer legen solten, dergleichen sie gleichfalls mit einem Buche von ihrem GOttes-Dienste thun wolten: würde ihres verbrennen, so wolten sie alle Christen werden; würde aber unseres verbrennen, und ihres unversehret bleiben, so solten wir Malabaren werden; und so alle beyde vom Feuer verzehret würden, solte kein Weg von beyden für wahr erkant werden. Wir sagten aber: Daß man GOTT solcher Gestalt aus Fürwitz, ohne seinen hierzu gezeigten Willen, nicht versuchen müste, indem er einem jeden Menschen ein Gewissen gegeben hätte, das da genugsam fühlen und prüfen könne, was wahr oder falsch, gut oder böse sey: und so ferne sie dessen Uberzeugungen nicht wolten gehorsam seyn, so würden sie dermahleines rechtmäßig können von GOtt in die ewige Verdamnüß verstossen werden weil sie seine angebothene Gnade nicht hätten annehmen wollen. Zum dritten wird ihre Bekehrung auch sehr gehindert, wenn sie sehen, wie listig die Catholicken von ihnen viele zu so genante Christen gemachet haben,[1]gedenckende, daß man sie ebenfalls mit solchem Betrug verführen wolle. Da wider wir aber bißher genugsam protestiret haben, daß wir den geringsten nicht, weder mit List, noch mit Zwang, darzu nöthigen wolten; sondern liessen einem jeden seine Freyheit. Zum vierdten mag auch eine Haupt-Verhinderniß seyn, weil sie sehen dergleichen Catholische Christen bey hunderten betteln gehen, dabey sie sich sehr ärgern, daß selbige nicht besser von ihren Glaubens-Genossen auffgenommen, und nach Nothdurfft also unterhalten oder zur Arbeit angewiesen würden, daß sie nicht ihre Unterhaltung vor den Thüren suchen müsten. Zum fünfften wird ein jeder der unter ihnen ein Christ werden


  1. [Randnotiz:] […]d. Petri […]varet rise nach […?]
Empfohlene Zitierweise:
Bartholomäus Ziegenbalg, Heinrich Plütscho: Merckwürdige Nachricht aus Ost-Indien. Joh. Christoph Papen, Leipzig, Frankfurt am Main, Berlin 1708, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Merckw%C3%BCrdige_Nachricht_aus_Ost-Indien_18.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2023)