Seite:Merckwürdige Nachricht aus Ost-Indien 22.jpg

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und als wir es beyderseits für Göttliche Schickung erkanten, nahmen wir ihn an. Sein Name heist Modaliapa, seines Alters etwa 20 Jahr. Seine Mutter, die annoch lebet, ist aus Fürstlichem Geschlechte, sintemal ihr Groß-Vater dieses Landes Fürst gewesen. Sein Vater hat allhie in der Compagnie Diensten gestanden, und ist ein Mann von grossem Reichthum gewesen: hat aber alles vor seinem Tode der Compagnie geschencket, mit Bitte, daß sie einsmahls seinen Sohn in ihre Dienste nehmen, und erziehen lassen möchte; Wie ihm denn hierzu ein gewisses Geld gelassen worden. Um dieses ist er aber nachmals auch gekommen, also daß sein und seiner Mutter Vermögen nunmehro gantz gering ist, und er andern Leuten dienen muß. Dieser, als er etwa acht Tage um uns gewesen, und unsern Wandel gesehen hatte, bekam er eine ungemeine Liebe zu uns, und fragete auff Portugiesisch, deren Sprache er sehr wohl mächtig ist: Ob er nicht immer bey uns bleiben, und auch dermaleins mit nach Europa gehen könte? Wir sageten: So fern er solches verlangete, müste er ein Christ werden, und die Teutsche Sprache lernen: Darauff begehrete er erstlich von dem Christenthum rechten Unterricht zu haben und fieng also bald an Teutsch zu lernen, also daß er anjetzo schon wohl buchstabiren, und auch vieles reden kan. Wir waren dazumahl der Portugiesischen Sprache noch nicht recht kundig, und musten es bey ihm nur mit Bildern anfangen, und durch eusserliches weisen ihm deren Verstand beybringen. Indessen liessen wir von andern ihm bald dieses, bald jenes, sonderlich von dem allein wahren GOtt, und seinem Sohne Christo JEsu, nebst dem Heiligen Geist, deßgleichen auch von unserm tieffen Elend und Verderben erzehlen, also daß er immer nach und nach der Göttlichen Warheit überzeuget wurde, und zu bekennen anfing: Daß der Malabaren ihr GOttes-Dienst falsch, und der Christen ihrer warhafftig wäre. In diesen allen hab ich solche Klugheit und tieffen Verstand bey ihm angetroffen, daß ich mich billig über ihn, als einen Heiden, verwundern müssen. Den 25. Julii war einer bey uns, der wohl Portugiesisch verstund, mit welchem er einem Discours anfieng von den Königen in Europa, und wuste selbige nach der Reihe zu erzehlen. Ich ließ ihn aber durch den guten Freund, der auch Teutsch verstund, sagen, wie wahre und rechtschaffene Christen geistliche Könige wären, und gleichfalls herrliche Güter in Christo zu besitzen hätten. Er antwortete darauff, das glaube er wohl, aber doch nur von denjenigen, die stets mit GOTT umgingen, und sich eines heiligen Lebens befleißigten. Er wüste auch, daß ein König keinen andern Ursprung hätte, als der geringste Mensch; ja er wüste und glaubte, daß dieses nicht das rechte Leben wäre, sondern daß zukünfftige, allwo weder unter Königen noch geringen Leuten, auch weder unter schwartzen, noch blancken Menschen, ein solcher Unterscheid seyn würde, als nunmehro in dieser Welt zu sehen wäre. Hierauff ließ ich ihn ferner fragen: Ob er einen einigen GOtt glaubete? er sagete, ja, es wäre nur ein einiger GOTT, der ihn und alle andere Dinge in der Welt geschaffen hätte, und diesem GOTT gehörete er so wohl an, als die blancken Leute, ob er gleich dem Leibe nach schwartz wäre; Dieser GOTT belohne das

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Bartholomäus Ziegenbalg, Heinrich Plütscho: Merckwürdige Nachricht aus Ost-Indien. Joh. Christoph Papen, Leipzig, Frankfurt am Main, Berlin 1708, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Merckw%C3%BCrdige_Nachricht_aus_Ost-Indien_22.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2023)