Seite:Merckwürdige Nachricht aus Ost-Indien 24.jpg

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alles dasjenige, welches ich bißhero von euch gehöret, und gesehen habe, recht und warhafftig, hingegen aber unser Heidnischer Gottes-Dienst falsch und dem wahren GOtt mißfällig sey. Ich erzehlte ihm darauff, wie auch unsere Vor-Eltern in gantz Europa blinde Heiden gewesen wären; zur Zeit Christi aber und nachmahls von ihrer Finsterniß zu dem Licht des heiligen Evangelii bekehret worden, und wie auch GOtt noch heute zu Tage denen Malabaren und andern Heiden seine Gnade zu ihrer Bekehrung darböthe, und gerne wolte, daß ihnen allen geholffen werden möchte. Dieses alles hörete er mit grosser Attention an; sagete aber dabey, wie daß fast alle Christen ein weit ärger Leben führeten, als die Malabaren. Ich antwortete: Er solte sich damit nicht aufhalten lassen, sondern nur auff unser Leben und Lehre recht achtung geben, und dasjenige kleine Lichtlein, das der liebe GOtt in ihm schon angezündet hätte, recht gebrauchen, und selbiges immer weiter auffblasen lassen; so würde er nachmahls schon den Unterschied zwischen einem wahren und falschen Christen erkennen lernen. Hernach hatten wir noch viel andere dergleichen Unterredungen, von der grossen Herrlichkeit eines Menschen, der GOtt recht fürchte, und in der Gemeinschafft JEsu Christi stünde, etc. also, daß er aus Überzeugung solcher Wahrheit sagte: Er begehre mit mir zu leben und zu sterben, und verlange in dieser Zeit nichtes mehr, als nothdürfftige Unterhaltung seines Leibes, wenn er nur darbey könne desjenigen theilhafftig werden, von welchem er anjetzo gehöret hätte, und dadurch sehr wäre erfreuet worden. Von der Zeit an habe ich nebst Herr Plütschauen keinen Fleiß gesparet, ihn zu unterweisen aus dem Worte des HErrn, und würden die Discourse, welche hierbey fürgefallen sind, den lieben Freunden zwar angenehm zu hören seyn, aber auff 20. Bogen nicht alle können auffgezeichnet werden. Er hat uns täglich solche Fragen fürgeleget, deren wir uns höchlich verwundert haben. Als zu Exempel: Warum denn GOTT für sich selbst nicht wäre mächtig gewesen, das gefallene Menschliche Geschlecht ohne Sendung seines Sohnes wieder in seine Freundschafft auffzunehmen? Warum eben Christus deswegen hätte leiden und sterben müssen? Wie er denn allein ohne Sünde wäre gebohren worden, weil ja die allgemeine Geburth der Menschen nicht ohne Sünde hätte geschehen können? Warum nicht von der Welt Anfang wären Christen gewesen? Warum GOtt die Menschen nicht mit Gewalt zu seinem Dienste zwingen könte? Warum Christus den Teuffel nicht gäntzlich tödten, und auff der Welt für ihn Friede machen könte? Warum nicht alle Christen selig würden? Warum so gar wenig Christen in der Welt wären? Warum einer nicht so wohl fromm und gottselig leben könte, als der ander? Warum so viel Secten unter denen Christen wären? Woher die Mahometaner kämen? Ob denn nicht einige von den Heiden, so da nach ihrem Vermögen fromm in der Welt lebeten, gleichfalls ausser dem Erkäntniß Christi könten selig werden? Ob denn in Europa ebenfalls die Christen so böse lebeten, als hier? Ob denn die andern Christen nicht eben das jenige wüsten, was wir täglich lehreten? Warum eben die Tauffe zum Christenthum

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Bartholomäus Ziegenbalg, Heinrich Plütscho: Merckwürdige Nachricht aus Ost-Indien. Joh. Christoph Papen, Leipzig, Frankfurt am Main, Berlin 1708, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Merckw%C3%BCrdige_Nachricht_aus_Ost-Indien_24.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2023)