Seite:Merckwürdige Nachricht aus Ost-Indien 28.jpg

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beydes unter den Christen als auch Heyden eine starcke Bewegung der Gemühter vorgegangen, also, daß unsere Absicht dem Könige Tranjou auch nicht mehr verborgen seyn kan; indem uns ehmals ein Bedienter von ihm zusprach, mit welchem wir bißhero Briefe gewechselt haben, zu welchen ich auch heute meinen Diener Modaliapan um einer gewissen Sache abgesendet habe. Wir gaben vor wenig Tagen ein Memorial ein, daß uns alle Evangelische Einwohner alhier ihre Sclaven des Tages zwey Stunden möchten zukommen lassen, damit sie im Christenthum erstlich wohl unterrichtet, und hernachmal durch die Tauffe der Gemeinschafft JEsu Christi gewürdiget würden; worauff denn der Hr. Commendant uns selbsten besuchte, und in kurtzem selbige zu überschicken versprach; sintemal er weiß, daß wir einen Schrifftlichen Befehl haben, mit einer jeden Gelegenheit Seiner Königlichen Majestät nach Dennemarck zu schreiben, und Ihm alles nach unserm Gewissen zu berichten, was dieses Werck theils verhindern, theils auch befodern könte. Es sind viel Teutsche alhier, die uns offtmals ersuchet haben, daß wir alle Wochen ein mal predigen möchten, dergleichen uns auch anfänglich der Herr Commendant selbsten aufftrug; aber die Sache findet noch ihre Hinderung; weßwegen wir gesonnen sind, mit der Hülffe Gottes eine kleine Kirche für die Heyden in unserm Hause anzurichten, darinnen in der Portugisischen Sprache, wo nicht geprediget, doch fleißig catechisiret werden möchte: nachdem können wir denn gleichfalls, nach Verlangen, für die Teutschen wöchentlich ein oder zwey mal eine Versammlung anstellen: auff daß man solcher Gestalt Gelegenheit habe beydes unter den Christen, als auch Heyden von der Wahrheit zu zeugen. Und ob wir gleich dabey sehr viele Verfolgungen werden auszustehen haben, so wil dieses doch vielmehr eine erwünschte Beförderung, als eine Hinderung an diesem Wercke des HErrn seyn. Uber diß haben wir uns auch gäntzlich mit Leib und Seele dem HErrn auffgeopffert, und würden dahero in der Krafft des HErrn bereit seyn, die Verkündigung des Evangelii mit unserm Blute zu versiegeln, so uns anders GOtt dergleichen würdigen wolte. Ich gedencke offtmahls an die Worte, die ehmahls Derselbe zu mir redete, als ich mich dazumal schon resolvirte, in ferne Landen mich schicken zu lassen; aber nachmals wegen meiner Unpäßlichkeit verhindert wurde, da er sagte: Wenn man eine Seele unter dergleichen Völckern rechtschaffen zu GOtt führete, so wäre solches eben so viel, als wenn man in Europa hundert gewönne: indem diese täglich genugsame Mittel und Gelegenheit zu ihrer Bekehrung hätten; jenen aber dergleichen mangelten. Hiernächst muntert mich auch sehr auff, was mir der Herr N. bey meinem Abschiede in mein Stamm-Buch geschrieben hat, welches also lautet: Ideo nos facti sumus Christiani, ut plus de futura, quam de hac vita laboremus.[1] Dieses laß ich mir meine tägliche Erinnerung seyn, damit ich nicht müde werden möchte, mein Thun und Lassen beständig auff die unsichtbare Ewigkeit zu richten, und dabey die Welt so wohl in ihrer Herrlichkeit, als auch in ihrer Bitterkeit wenig zu achten. Hierinnen ist denn mit mir gleiches Sinnes mein lieber und getreuer Mitt-Bruder, Herr Heinrich Plütschau, und suchen einander stets


  1. [WS: lat.: „Wir sind deshalb als Christen geschaffen, damit wir mehr für das zukünftige als das diesseitige Leben arbeiten.“]
Empfohlene Zitierweise:
Bartholomäus Ziegenbalg, Heinrich Plütscho: Merckwürdige Nachricht aus Ost-Indien. Joh. Christoph Papen, Leipzig, Frankfurt am Main, Berlin 1708, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Merckw%C3%BCrdige_Nachricht_aus_Ost-Indien_28.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2023)