Seite:Merckwürdige Nachricht aus Ost-Indien 29.jpg

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dessen zu erinnern, und in vereinigten Gemüthern an der Auffrichtung des Reiches JEsu Christi, so wohl in uns, als auch unter den Heyden zu arbeiten: sind auch versichert, daß GOtt unser Amt allhier nicht ungesegnet seyn, noch uns in unserm Vertrauen wird zu schanden werden lassen. Hierbey getrösten wir uns der gnädigen Verheissungen GOttes, und des Gebeths vieler gläubigen Seelen in Teutschland. Es sind aber diese Malabarische Heyden ein sehr kluges Volck, welche da mit grosser Weißheit wollen gewonnen werden. Sie haben eine accurate Analogie in ihren fabelhafften Glaubens-Sachen. Sie sind von dem zukünfftigen Leben weit kräfftiger überzeuget, als die Atheistischen Christen. Sie haben sehr viel Bücher, von welchen sie sagen, daß sie selbige gleichfals von ihren Göttern empfangen haben, als wie wir die heilige Schrifft. In selbigen sind lauter lustige Historien von ihren Göttern, und ihnen annehmliche Dinge von der zukünfftigen Welt enthalten, also, daß ihnen unser Wort Gottes lauter verdrießliche Sachen vorzutragen scheinet. Sie führen dabey ein sehr stilles, erbares und tugendsames Leben, darinnen sie es aus ihren bloß natürlichen Kräfften denen falschen Christen nicht wenig zuvor thun. Sie haben für ihren Göttern eine grosse Ehrerbietigkeit, also daß, da kürtzlich in der Translation vorkam, wie man Gottes Freunde und Kinder werden könte, unser Schulmeister solches verneinte, und an statt dessen setzen wolte, wie GOTT uns vergönnen möchte, seine Füsse zu küssen. Sie erkennen nur ein einiges Göttliches Wesen, aber solcher gestalt, daß es sich vervielfältiget habe, und theils im Himmel, theils auch auff Erden, zu deren beständigen Unterhaltung und glücklichen Regierung viel Götter eingesetzet. Wir giengen gestern ein wenig ins Land hinein spatziren, und kamen zu einer Pagoden, darinnen ihres grossen GOttes Isparæ Weib, als eine Göttin verehret wird; um selbiger stunden sehr viel aus Porcelin gemachte Götter: Wir, voll Göttlichen Eyfers, stiessen einige um, einigen schlugen wir die Köpffe ab, dabey den armen Leuten zu zeigen, daß solche ohnmächtige und nichtige Götzen wären, die weder sich selbsten, noch viel weniger ihren Dienern einige Hülffe thun könten. Hierauff antwortete uns ein Wathyjan oder Lehrer, daß diese keine Götter, sondern nur Gottes seine Soldaten wären. Wir brachten ihn endlich so weit, daß er es als eine Thorheit erkennen muste, dabey sagende: daß das einfältige Volck, mit Anschauung dergleichen Bilder, stets auff das Zukünfftige müsse gerichtet bleiben. Dergleichen Götzen-Bilder haben wir offte zu tausenden beysammen auff einem Platze gesehen. Ob man sie aber gleich hierinnen überzeuget, daß solches, samt ihrem gantzen Gottes-Dienste falsch sey, so wissen sie doch hinwiederum sehr vieles uns Christen zu zeigen, das mit ihrer Meinung von GOtt nicht bestehen kan; sonderlich haben sie wegen des so gar ärgerlichen Lebens der Christen einen ungemeinen Abscheu für das Christenthum, also daß sie meinen, es sey kein ärger und böser Volck in der Welt anzutreffen, als die Christen. Dahero sie auch offtmahls gefraget, ob sie denn in Europa eben ein so böses Leben führeten, als alhier in Ost-Indien? worauff, wenn wir die eigentliche Wahrheit bekennen solten, sie sich noch schwerlicher zum Christenthum würden bringen lassen. Sie essen und trincken mit keinen Christen, lassen selbige auch nicht in ihre Häuser kommen: und wenn

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Bartholomäus Ziegenbalg, Heinrich Plütscho: Merckwürdige Nachricht aus Ost-Indien. Joh. Christoph Papen, Leipzig, Frankfurt am Main, Berlin 1708, Seite 29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Merckw%C3%BCrdige_Nachricht_aus_Ost-Indien_29.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2023)