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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 17

Gleichen-Rußwurm, 1) Adalbert von, Schwiegersohn Schillers, starb 26. Juli 1887 in Weimar.

Gleig, George Robert, engl. Schriftsteller, starb 9. Juli 1888 in Stratford Turgis bei Winchfield.

Gletscher. Der Stand der G. unterliegt im Laufe von kürzerer oder längerer Zeit mannigfachen Veränderungen, je nachdem der Zufluß von neuem Material aus dem Firngebiet oder die Abschmelzung des Gletschereises vorherrscht. Zunehmende Ernährung und verminderte Abschmelzung bedingen eine Vergrößerung des Gletscherstroms in vertikaler und horizontaler Richtung, im umgekehrten Fall wird die Eismasse schwinden. Die klimatischen Faktoren, welche diesen Wechsel von Ernährung und Abschmelzung hervorrufen, sind je nach der Jahreszeit von verschiedener Wirksamkeit: im Sommer herrschen die aufzehrenden Kräfte vor, im Winter haben die ernährenden Momente das Übergewicht. Deshalb ist der G. im Frühling am stärksten, im Herbst ist er auf ein Minimum reduziert. Weit großartiger und auffallender sind aber die Schwankungen des Gletscherstandes im Verlauf von längern Perioden. Zeitweise nimmt ein G. ohne ersichtliche Ursache an Länge, Dicke und Breite zu, bis er ein Maximum seiner Ausdehnung erreicht hat, es tritt ein Zustand ein, in dem sich Ernährung und Ablation (s. d., Bd. 17) das Gleichgewicht halten; dann beginnt der Rückzug, indem vom Gletscherende mehr durch Schmelzen verzehrt, als durch Zufuhr ersetzt wird, bis auch das Schwinden ein Ende erreicht und abermals eine Zunahme beginnt. Die Zeit zwischen zwei aufeinander folgenden Minimen der Gletscherausdehnung bezeichnet man als eine Periode, den Beginn des Vorstoßes zeigen als Vorläufer die Zunahme der vertikalen Mächtigkeit des Firns und des Gletschers an sowie größere Gletscherbreite. Innerhalb einer solchen Periode machen sich häufig untergeordnete Schwankungen geltend, indem entweder ein Stillstand oder ein Jahr umgekehrter Veränderung eintritt. In den Alpen ist die Beobachtung gemacht, daß bei allen Gletschern die Veränderung gleichzeitig und in gleichem Sinn vor sich geht. Indessen kommen einzelne Ausnahmen vor nicht nur innerhalb des Gebiets eines Gebirges, sondern sogar unter den Gletschern eines und desselben Gebirgsstockes. Im großen und ganzen folgen auch solche G. der allgemeinen Schwankung und tritt der Umschlag aus dem einen Zustand in den andern entweder um einige Jahre verspätet oder verfrüht im Vergleich mit der Mehrzahl der G. ein; letzteres ist gewöhnlich bei kleinen und steilen Gletschern der Fall. So stieß der Unteraargletscher noch 1870 eine alte Moräne vor sich her, während alle übrigen Alpengletscher teilweise schon seit Jahrzehnten im Rückzug begriffen waren, anderseits rückten 1880 der Glacier de Bosson und der Glacier du Trient schon seit einiger Zeit vor, während die große Mehrzahl der Alpengletscher sich noch im Schwinden befand. Soweit die Berichte reichen, war der Verlauf der Perioden des Vorstoßes und des Rückzugs für die Alpengletscher folgender:

Hauptvorstoß Hauptrückzug
1595–1610
1677–1681
1710–1716
1750–1767
1760–1786
1800–1812
1811–1822
1822–1844
1840–1850(55)
1855–1880

Seit Anfang der 80er Jahre nahm die Zahl der vorrückenden G. von Jahr zu Jahr zu, der Vorstoß begann in dem Massiv des Montblanc und machte sich dann immer weiter nach O. zu bemerkbar; der Eintritt des Maximums scheint sich von den Westalpen gegen die Ostalpen zu um ca. 40 Jahre zu verzögern. In den Zeiten des Vorrückens ist die fließende Bewegung des Eisstroms bedeutend größer als in den Abschnitten des Rückganges; damit hängt der Umstand zusammen, daß der Vorstoß sich stets in ganz kurzer Zeit vollzieht, während die Periode des Rückzugs viel länger andauert. Da die Schwankung der G. nicht bloß in Veränderungen der Länge sich kundgibt, sondern auch in der Breite und Dicke, so sind die Volumveränderungen bisweilen ganz bedeutende. Von 1856 bis 1880 hat der Rhônegletscher im ganzen fast vollständig 2 qkm an Oberfläche und 175 Mill. cbm, d. h. fast 7 Mill. cbm jährlich, an Inhalt verloren; der Obersulzbachgletscher in den Tauern ist von 1850 bis 1880 mit seiner Zunge um fast 500 m zurückgegangen, die mittlere Dickenabnahme beträgt 80–100 m, der Volumverlust in diesen 30 Jahren 60 Mill. cbm.

Als nächste Ursache des Schwankens im Gletscherstand ist die verschiedene Geschwindigkeit des Eisstroms anzusehen, die je mit der Vermehrung oder Verminderung der Dicke des letztern variiert. Die Schwankungen in der Dicke des Gletschers können eine doppelte Ursache haben, entweder eine Veränderung in dem Maß der Ernährung durch Schneefall im Firngebiet oder eine Veränderung in dem Betrag der Ablation an dem Eisstrom. Wäre nur die stärkere Abschmelzung infolge größerer Sommerwärme die Veranlassung zum Rückgang der G., dann müßten in den letzten 30 Jahren alle Sommer verhältnismäßig warm gewesen sein und den Grad des Rückzugs in jedem Jahr geregelt haben, einige kühle Sommer in diesem Zeitraum müßten einen Stillstand veranlaßt haben. Eine solche Wirkung ist aber nicht beobachtet worden. Es kann also nur eine Verminderung der Niederschlagsmenge die Ursache der Erscheinung sein. Ein einzelner schneereicher Winter hat keinen Einfluß auf die Gletscherbewegung, sondern diese regelt sich nach dem Durchschnitt einer ganzen Reihe von Jahren. Eine Verminderung der durchschnittlichen Niederschlagsmenge in einer größern Periode ruft eine Verlangsamung der Gletscherbewegung hervor; durch Anhäufung von Schnee in der Firnmulde nimmt die Stromdicke schon im Sammelbecken zu, und infolge des vermehrten Druckes steigt die Geschwindigkeit thalabwärts. Entsprechend der geringern Ablation in den Sommern einer naßkalten Periode, der größern Menge von Winterschnee, welche aufgezehrt werden muß, und der größern Geschwindigkeit, welche zur Ablation weniger Zeit als früher läßt, muß die Dicke des Eisstroms und infolge davon die Geschwindigkeit im ganzen Lauf des Gletscherstroms sich steigern. In einer Periode verminderter Ernährung sinkt das Eis im Sammelbecken und damit die Geschwindigkeit, die Ablation ist intensiver in dem warmen Sommer und kann bei der verminderten Bewegung länger wirken. Der gesamte Verlauf des Prozesses erklärt endlich, daß die Veränderung sich nicht unmittelbar geltend machen kann, sondern daß die Schwankungen des Gletscherstandes immer mehrere Jahre später eintreten müssen als der Beginn derjenigen Witterungsverhältmsse, durch welche dieselben bedingt sind. Vgl. Heim, Handbuch der Gletscherkunde (Stuttg. 1885); Neumayr, Erdgeschichte, Bd. 1 (Leipz. 1887); Forel im „Jahrbuch des Schweizer Alpenklubs“, Bd. 17–23; E. Richter, Die G. der Ostalpen (Stuttg. 1888).

Glieder, künstliche. Das von C. A. Frees in New York erfundene und konstruierte Bein vereinigt die Vorzüge aller bisherigen Konstruktionen mit der ganz

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 17. Bibliographisches Institut, Leipzig 1890, Seite 386. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b17_s0390.jpg&oldid=- (Version vom 21.1.2023)