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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 17

Gürtelpanzer und einer Armierung schwerster Geschütze sowie einer Geschwindigkeit von 17–18 Knoten und reichem Kohlenvorrat nicht entbehrlich und durch kleine Schiffe nicht ersetzbar sind. So hat man sich nunmehr in England entschlossen, nach dem Vorangehen Italiens 8 Panzerschiffe von je 14,300 Ton. Deplacement zu erbauen. Sie erhalten einen umlaufenden, nach dem Bug und Heck zu allmählich an Dicke abnehmenden Panzergürtel, über welchem in der Mitte des Schiffs die Pcnnerwände erhöht und ihre Enden durch starke Panzerquerschotten zu einer geschlossenen Panzercitadelle verbunden sind, innerhalb deren in der Batterie (unter Deck) mittelschwere Panzergeschütze von 21–28 cm Kaliber, auf dem Oberdeck aber in oben geschlossenen Panzerdrehtürmen oder in oben offenem Reduit von birnförmigem Grundriß auf drehbaren Geschützständen (barbette) meist 4 ganz schwere Geschütze von 34–43 cm Kaliber Aufstellung finden. Um die Vorteile der oben offenen, nur durch Stahlhauben geschützten Aufstellung auf Drehscheiben mit denen der mehr Schutz gewährenden Panzertürme zu vereinen, hat man in neuerer Zeit die hydropneumatischen Verschwindungslafetten von Moncrieff-Razakoff in Rußland (Katharina II., Sinope, Tschesme) und England eingeführt, welche durch den Rückstoß beim Schießen selbstthätig das Geschützrohr tief herabsenken und für den Augenblick des Feuerns bis zur Oberkante der Panzerbrustwehr selbstthätig erheben. Im Bug und Heck finden 15 cm und auf dem Oberdeck als Nebenarmierung auch kleinere Schnellfeuer- und Revolverkanonen Aufstellung; ein 7–15 cm dickes, gewölbtes Stahlpanzerdeck erstreckt sich von der Citadelle bis zum Heck und dem Sporn und schützt die Kessel-, Maschinen-, Munitions-, Kohlen- und Vorratsräume gegen Stechschüsse; Munitionsförderschacht und die Schornsteine sind gepanzert. Der Panzer der Citadelle oder Türme sowie in der Mitte des Gürtels hat eine Dicke von 45–60 cm. Die Zellen an den Seitenwänden in Höhe der Wasserlinie füllt man mit leckschließenden Mitteln, Kork, Kokosfaser etc. Es treten im Krieg oft Fälle ein, welche die Entsendung einzelner Schiffe zu selbständigen Unternehmungen in feindliche oder vom Feind beherrschte Gewässer notwendig machen. Diese Schiffe bedürfen außer hinreichenden Panzerschutzes der vitalen Teile (Maschinen, Kessel) auch großer Fahrgeschwindigkeit und Kohlenvorräte. Man hat diese Schiffe ihrer Verwendungsart entsprechend geschützte Kreuzer genannt. Es sind sowohl Gürtelpanzerschiffe, wie die Schiffe der Auroraklasse von 5600 Ton. in England, der Bayardklasse von 6200 T. in Frankreich, als auch Panzerdeckschiffe ohne Seitenpanzer, wie die beiden Kreuzer Blake und Blenheim (England) von 9000 T. und 22 Knoten Geschwindigkeit mit einem in der Mitte 15 cm dicken Panzerdeck und einem Kohlenvorrat für 15,000 Meilen bei 10 Knoten Fahrt oder der italienische Kreuzer Piemonte von 2500 T., 22 Knoten Geschwindigkeit, 76 mm dickem Panzerdeck und einem Seitenpanzer der Batterie. Die schnell fahrenden Panzerdeckkreuzer führen fast ausschließlich Schnellfeuerkanonen an Bord. Der Piemonte z. B. hat sechs 15 cm, sechs 12 cm, zehn 5,7 cm, sechs 3,7 cm Schnellfeuergeschütze und vier 10 mm Maximkanonen; außerdem haben die Schiffe dieser Art 3–5 Torpedolancierrohre. Man legt auf solche Schiffe, welche sich zu strategischer Verwendung wie zum allgemeinen Kreuzerdienst in Blockadegeschwadern besonders eignen, gegenwärtig großen Wert. Während man bei den Panzerschlachtschiffen die schweren Kampfgeschütze in Türmen in der Längsmittellinie des Schiffs meist paarweise auf einer Drehscheibe oder an beiden Bordseiten schräg zur Mittellinie aufstellt, um alle Geschütze gleichzeitig nach derselben Seite hin abfeuern zu können, stellt man bei Kreuzern die beiden vordern und hintern Geschütze an den Bordseiten meist in balkonartigen Ausbauten auf, damit bei Verfolgungen nicht nur die im Bug stehenden Jagdgeschütze, sondern auch diese an den Bordseiten stehenden Batteriegeschütze, ebenso beim Rückzug mit den Heckgeschützen sich am Feuergefecht beteiligen können. Da man heute alle für den Kampf bestimmten Schiffe, auch die Kreuzer, aus Stahl baut, so gibt man ihnen und nicht nur den großen Kreuzern erster, sondern auch den zweiter Klasse ein Panzerdeck und Rammbug, um bei vorkommender Gelegenheit auch von dieser gefährlichen Waffe Gebrauch machen zu können. Man trennt jetzt die für den Friedensstationsdienst in fremden Meeren bestimmten Kreuzer von den Geschwaderkreuzern insofern, als jene eine Holzbeplankung mit Verkupferung und reiche Takelage zum Segeln erhalten und in ihrer innern Einrichtung nach Möglichkeit auf gesunde und wohnliche Räume, namentlich bei den in tropischen Gewässern stationierten Schiffen, Rücksicht genommen wird, während bei den letztern die Steigerung des Kampfwertes, kräftige Maschinen, großer Kohlenraum, starke Armierung mit Schnellfeuerkanonen, in den Vordergrund tritt.

Neue Gesichtspunkte bietet die Küstenverteidigung. Wenn hier auch hervorragende Seeeigenschaften nicht gefordert werden, legt man doch heute einen größern Wert auf offensive Verwendung, als ihn die alten schwimmenden Panzerbatterien bieten. Die einst so geschätzten Monitoren sind ein veralteter Standpunkt. An ihre Stelle sind Kanonenboote, gepanzerte und ungepanzerte, mit geringem Tiefgang und meist nur einem schweren, im Bug aufgestellten Geschütz, außer einigen Schnellfeuerkanonen als Beigeschütze, getreten. Auf den englischen Kanonenbooten für diesen Zweck, den sogen. Floating carriages, steht das schwere Buggeschütz auf versenkbarer Drehscheibe.

Die Zusammensetzung der K. der einzelnen Länder wird bedingt durch die ihnen gestellten Aufgaben. Während die Flotten Englands und Frankreichs, entsprechend dem alten Kolonialbesitz dieser Länder, befähigt sein sollen, in allen Meeren auch dem mächtigsten Gegner eine Seeschlacht zu liefern, ist die deutsche Flotte in dieser Beziehung auf die heimischen Gewässer, die Ost- und Nordsee, beschränkt, weshalb sie besonderer Transportschiffe, die in jenen Marinen, wie in der Italiens, einen bedeutenden Umfang haben, nicht bedarf. Deutschland aber wird mit seinem zunehmenden Seehandel gezwungen sein, dem Beispiel Englands und Frankreichs folgend, seine Kreuzerflotte zu vermehren, um seinen Handel in allen Meeren schützen zu können. Italien, welches einen großen Wert auf eine starke Schlachtflotte und Verteidigung seiner langen Küste legt, dabei aber keinen so bedeutenden überseeischen Handel zu schützen hat, besitzt die stärksten Schlachtschiffe der Welt, eine reiche Flotte von Torpedobooten, aber verhältnismäßig wenige Kreuzer. In der nachstehenden Tabelle geben wir eine Übersicht der K. der bedeutendern europäischen Seemächte zu Anfang des Jahrs 1890; in ihr sind die Schul- und Transportschiffe sowie die Schiffe für den Hafen-, Werft- und Lokaldienst und sonstige Zwecke, also alle die Schiffe fortgelassen, die nicht zu den kämpfenden gehören. Wir bemerken ferner, daß die Bezeichnung und Klassifikation der Schiffe in jeder

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 17. Bibliographisches Institut, Leipzig 1890, Seite 510. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b17_s0514.jpg&oldid=- (Version vom 9.10.2023)