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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 17

Gesellschaftsbericht, daß der Briefverkehr (ohne Angabe von Zahlen) befriedigend sei, lassen den Schluß zu, daß der Schwerpunkt des Geschäftsbetriebes der Gesellschaft in dem Omnibusbetrieb, in der Besorgung von Reisegepäck, in dem Inkassogeschäft etc., aber keineswegs in dem Paket- und Briefbeförderungsdienst liegt.

Nach den vorliegenden Erfahrungen darf die Existenzberechtigung sowohl als die Lebensfähigkeit der P. überhaupt in Frage gezogen werden. Ihr einziger Vorzug: daß sie billiger arbeiten, ist nicht ausschlaggebend und hat den Zusammenbruch einzelner Anstalten nicht nur nicht aufgehalten, sondern eher beschleunigt. Keinenfalls hat die Post von der Konkurrenz dieser Anstalten etwas zu befürchten, und obwohl von vielen Seiten, namentlich in der Presse, angeregt worden ist, daß die Post dahin streben solle, das Monopol auf den Stadtbriefverkehr auszudehnen, hat die deutsche Postverwaltung sich fortgesetzt dagegen ablehnend verhalten. Von andern Ländern ist Dänemark zuerst gegen die P. gesetzlich vorgegangen: durch das Postgesetz vom 5. April 1888 ist die Einrichtung von Stadtprivatposten verboten; in Schweden darf nach dem Gesetz vom 21. Dez. 1888 keine Privatpost in solchen Orten bestehen, wo die Postverwaltung eine lokale Briefbestellung unterhält.

Nach dem Chronisten Pelisson-Fontanier wurde die erste Stadtpost 1653 von dem Maître des requêtes (Staatsrat, Berichterstatter über Bittschriften) Vélayer in Paris errichtet, die indes nicht lange bestanden zu haben scheint. Auf Grund eines von Ludwig XIV. erhaltenen Privilegiums ließ Vélayer in den verschiedenen Stadtteilen von Paris Briefkasten aufstellen und die in dieselben eingelegten Stadtbriefe gegen die Gebühr von 1 Sou bestellen. Im J. 1760 gründete der Rat am Rechnungshof in Paris, C. Humbert Piarron de Chamousset, eine Privatpost, da die bestehende Staatspost Ortsbriefe nicht beförderte. Ähnliche Anstalten entstanden in Lyon, Marseille, Bordeaux, Nantes, Montpellier, Rouen, Lille, Nancy und Straßburg; keiner von ihnen war ein langes Leben beschieden. In Hamburg wurde 1797 eine Fußbotenpost errichtet, für deren Zustandekommen die Hamburger Kaufmannschaft 9000 Mark Kurant zusammenbrachte, und die bis zur Besetzung Hamburgs durch die Franzosen bestand. Eine Fußbotenpost in Berlin, gegründet 1800, mußte 1806 den Betrieb einstellen und erhielt erst 21 Jahre später in der königlichen Stadtpost eine Geschäftsnachfolgerin. Die 1714 in London eingerichtete Pennypost war von Anfang an Staatsanstalt.

 Privattransitläger, s. Zollniederlagen (Bd. 16).

 Probi-viri, in Italien die Mitglieder der Schiedsgerichte, welche nach einem schon 1883 dem Parlament vorgelegten Gesetzentwurf als collegi dei p. neben den industriellen Gewerbegerichten eingerichtet werden sollten, um einerseits die zwischen Grundeigentümern und Pachtern, anderseits die zwischen den letztern und ihren Arbeitern entstehenden Streitigkeiten zu schlichten. Vgl. Cavalieri, La questione dei p. in agricoltura (Rom 1888).

Problēmkunst, im Schachspiel die Kunst, Stellungen zu erfinden, von denen aus eine Partei in bestimmter Zügezahl und auf schöne und versteckte Art den Sieg erzwingt. Solche Stellungen werden als Aufgaben (Probleme) veröffentlicht, deren Lösung vielen Schachfreunden großen Genuß bereitet; man sieht sie gegenwärtig in fast allen illustrierten, vielfach auch in Tageszeitungen. Die P. steht zum praktischen Partiespiel in gewissem Gegensatz. Wer Probleme aufstellt (der Problemkomponist oder Problemdichter), hat danach zu streben, daß die das Matt vorbereitenden Züge möglichst gewagt, für das eigne Heerlager gefährlich oder doch unnützlich aussehen, daß sie überraschen, weil Ähnliches im Gang einer Partie selten oder gar nicht vorkommt. Eins der besten und üblichsten Mittel für den Problemkomponisten, in diesem Sinn zu wirken, ist das Opfer hochwertiger Figuren. Das Problem darf nur eine (die vom Verfasser beabsichtigte) Lösung zulassen; „nebenlösige“ Aufgaben haben keinerlei Wert. Die schönsten Erzeugnisse der P. sind durchweg direkte Mattführungen in 3–5 Zügen; in 2 Zügen läßt sich zu wenig Idee unterbringen, auf 6 oder noch mehr Züge aber pflegt man nur selten einen Gedanken auszudehnen, weil man leicht den Überblick verliert, insbesondere Nebenlösungen übersieht. Im „Selbstmatt“ (eine Partei zwingt die andre, das Matt zu geben) sind zwar auch fein erfundene Aufgaben geschaffen worden, doch ist Selbstmatt an sich unnatürlich, und daher darf dieser ganzen Problemgattung nur eine untergeordnete Bedeutung zugestanden werden. Die P., welche man nicht mit Unrecht die „Poesie des Schachspiels“ genannt hat, ist so alten Ursprungs wie das Spiel selbst, aber ihre Pflege blieb eine kümmerliche bis um das Jahr 1850, als plötzlich ein entscheidender Umschwung eintrat. Zugleich mit den Turnieren für die Meister der praktischen Partie wurden auch Wettbewerbungen im Aufgabenfach ausgeschrieben, und 25 Jahre genügten, um die P. in die vollste Blüte zu bringen, ihre Regeln und Gesetze gründlich auszubilden. Es ist unmöglich, die besten Leistungen der Gegenwart und jüngsten Vergangenheit auf diesem Feld zu überbieten. Die berühmtesten Problemkomponisten sind Deutsche oder Österreicher; auch Nordamerika und England haben einzelne Namen ersten Ranges aufzuweisen, aber im allgemeinen ist in diesen beiden Ländern die P. vielfach auf Abwege geraten. In Frankreich und Italien gibt es keine hervorragenden Meister der P. Als solche seien hier genannt: 1) die Deutschen Philipp Klett (Ludwigsburg), Johannes Kohtz (Königsberg) und Karl Kockelkorn (Köln) sowie der Deutsch-Österreicher Johann Berger (Graz); von diesen rühren die größten, variantenreichsten und am tiefsten angelegten Kunstwerke, besonders in vier- und fünfzügigen Aufgaben, her; 2) die Amerikaner Samuel Loyd und W. A. Shinkman, Verfasser zahlreicher, äußerst fein und scharf pointierter, meist dreizügiger Probleme; 3) die Engländer Frank Healey und J. G. Campbell, von denen mehrere der verborgensten Ideen herrühren; 4) die Böhmen Anton König, Johann Drtina, Karl Makovsky, Johann Dobrusky, Georg Chocholouš und andre Mitglieder derselben (böhmischen) Schule, Vertreter eines äußerst eleganten Stils. Als Bahnbrecher in den 50er und 60er Jahren ist neben schon erwähnten Namen Konrad Bayer (Olmütz) berühmt. Vgl. Max Lange, Handbuch der Schachaufgaben (Leipz. 1862); Klett, Schachprobleme das. 1878); J. Berger, Das Schachproblem (das. 1884); H. v. Gottschall, Kleine Problemschule (das. 1885).

 Prochaska, Eleonore, geb. 11. März 1785 zu Potsdam als Tochter eines Unteroffiziers, wurde daselbst im Militärwaisenhaus erzogen, trat als Köchin in Dienste und wurde 1813 von solcher Begeisterung für die Befreiung des Vaterlandes ergriffen, daß sie Potsdam heimlich verließ, sich nach Verkauf ihrer Habseligkeiten Männerkleider und Waffen verschaffte und unter dem Namen August Renz als freiwilliger Jäger sich in die Lützowsche Freischar aufnehmen

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verschiedene: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 17. Bibliographisches Institut, Leipzig 1890, Seite 674. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_b17_s0678.jpg&oldid=- (Version vom 10.8.2022)