Seite:OAGöppingen 219.png

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Alp über dem Filsthale, unter der sogenannten Ecke auf der mehrgedachten wellenförmigen Ebene. (Oben S. 6.) Durch den Ort fließt der oben S. 17 beschriebene Heinbach oder Heubach, welcher dem Ort den Namen gegeben haben soll. Von Süden, Westen und Norden her betrachtet liegt dieser in einer wellenförmigen Vertiefung. Seine Lage längs der Alptraufe hin bietet dieselben großartigen Naturschönheiten dar und ist ebenso gesund, wie Boll, Dürnau und Eschenbach. Heiningen, einer der größten Orte der Umgegend, theilt sich in das Ober- und Unter-Dorf. Die Häuser (196 Haupt- und 50 Neben-Gebäude) stehen nicht sehr gedrängt und sind theils nur einstockig. Die Thore, das obere und das untere, sind längst abgebrochen, Wall und Graben aber noch gegen Osten und Süden sichtbar. Die in der Mitte des Unterdorfes stehende Kirche zum h. Michael ist nicht wegen ihrer Schönheit, sondern ihres hohen Alters wegen merkwürdig. Ihre Größe spricht dafür, daß sie einst eine Hauptkirche gewesen. Die Zeit ihrer Erbauung mag in das 13. oder 14. Jahrhundert zu setzen seyn; daß aber zuvor schon eine Kirche hier gestanden, kann aus einem kleinen Säulenfuße byzantinischen Styles geschlossen werden. Kenner bewundern die schöne Fassung der Sakristeithüre, den achteckigen Taufstein von geschmackvoller gothischer Form und hauptsächlich den interessanten Chor in gothischem Style. Die Gewölbgurten in demselben, welche in schöner sternförmiger Struktur zusammenlaufen, haben ihre Unterstützung in den Ecken des Polygons auf Figuren, Wappenschilden u. dgl. Schade, daß nur noch Eine solche Console ganz ist. Im Chor steht in Stein gehauen der Patron der Kirche, St. Michael. Die früher mit Gemälden und Inschriften gezierten Wände sind leider übertüncht. Ein Ölgemälde, das Leben Jesu und der Apostel vorstellend, ist noch vorhanden. Auf dem Dachboden der Kirche befinden sich mehrere holzgeschnitzte Figuren, theilweise einst ganze Gruppen bildend und wohl einem Ölberg angehörend. Sie haben beinahe Lebensgröße. Einzelne dieser Gruppen, namentlich drei weibliche Figuren, sind unter die gelungensten Werke deutscher Bildschnitzkunst zu zählen. Von Seiten des Pfarramtes ist lobenswerthe Fürsorge zu deren Aufbewahrung getroffen. Der Thurm, wie die Kirche bis zum Dach aus Stein, ist sehr hoch und mit Schiefer gedeckt. Er wurde 1781 durch ein Hochgewitter hart beschädigt. Die älteste der vier Glocken hat die Umschrift: me resonante pia populi memor esto Maria, und gehört wohl dem 13. Jahrhundert an. Die Kirche ist mit einer Mauer umgeben, die in früheren Zeiten sehr hoch und dick war, einen bedeckten Umgang hatte und, weil zur Vertheidigung bestimmt, auf den vier Ecken mit Wach- und Wehr-Thürmen versehen war. Am Eingange des Kirchhofes stand ein eigener Thurm

Empfohlene Zitierweise:
Rudolph Friedrich von Moser: Beschreibung des Oberamts Göppingen. J. G. Cotta’sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart und Tübingen 1844, Seite 219. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAG%C3%B6ppingen_219.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)