Seite:OAGöppingen 220.png

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

mit Uhr und 2 Glocken. In diesen vesten Hof haben sich die Einwohner im dreißigjährigen Kriege einigemal mit Hab und Gut geflüchtet und von da den Feind abgetrieben. Das bei der Kirche gelegene Pfarrhaus ist nach der Jahrzahl 1493 über dem Eingange zwar sehr alt, aber gut beschaffen und vom Staat zu erhalten. In einem neugebauten Hause, wo auch eine Kleinkinderschule untergebracht ist, befinden sich 2 große Gemeindebacköfen. Die Einwohner sind groß, wohl gebildet (oben S. 37). Der Nahrungsstand ist im Ganzen gut, und nur wenige Familien bedürfen einer Unterstützung. Auch die Ärmeren können sich ziemlich fortbringen, da jedem Bürger der Genuß von Allmanden und große Holzgaben aus dem Gemeindewalde wohl zu Statten kommen. Die Markung ist sehr groß, der Boden, dessen Hauptgrundlage aus übrigens unbrauchbarem Schiefer besteht, ziemlich fruchtbar. Neuerdings wird, außer Dinkel und Haber, auch Roggen gebaut; Hanf und Flachs haben viele Fehljahre. Der starken Viehzucht wegen werden viele Futterkräuter in der Brache gebaut, namentlich rother Klee und Wicken. Von großem Belang ist auch der Wieswachs. Der Obstbau, der noch vor 30 Jahren Nebensache war, ist jetzt ein mit Sorgfalt gepflegter Nahrungszweig. Seit einem Jahre hat die Gemeinde eine eigene Baumschule. Die hiesige Pferdezucht hatte früher einen guten Namen; seit aber die großen Weiden angebaut sind, fehlt ein Hauptstützpunkt derselben und sie ist nun herabgekommen, obwohl es noch immer an schönen Pferden nicht fehlt. Dagegen ist die Schafzucht sehr gestiegen, die in derselben Weise wie in Boll betrieben wird. An selteneren Gewerben sind 2 Feldmesser und 1 Ziegler zu nennen. An Werken ist nur 1 Mahlmühle vorhanden; sie steht aber wegen des leicht versiegenden Heinbachs häufig still, indem sie, nach einem alten Sprüchworte, Sommers keinen Strohhut und Winters keine Pelzkappe leiden kann. Am Zahlreichsten sind die Weber, die aber mit etwa 20 Stühlen für die Fabriken in Jebenhausen um den Lohn arbeiten. Vor Errichtung der Flachsspinnfabriken wurde ein Handel mit Schnellern getrieben, der jedoch in neuerer Zeit ganz aufgehört hat. Eben dadurch hat auch das einst namhafte Nebengewerbe des Flachsspinnens äußerst gelitten.

Die Gemeinde gehört zu den vermöglichsten; sie hat einen schönen Wald und verliehene Allmanden, in deren Benützung hauptsächlich die bürgerlichen Benefizien bestehen. Das Marktrecht ist, wie unten sich finden wird, alt. Die Viehmärkte sind bedeutend (oben S. 62), die Wochenmärkte aber schon längst außer Übung. Das Wappen besteht in einem burgundischen Kreuz mit einem Hirschhorn darüber; so findet es sich schon 1489. Die Pfarrei hat keine Filialien; das Patronat ist königlich. Die Katholiken halten zur Kirche

Empfohlene Zitierweise:
Rudolph Friedrich von Moser: Beschreibung des Oberamts Göppingen. J. G. Cotta’sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart und Tübingen 1844, Seite 220. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAG%C3%B6ppingen_220.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)