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rhevmatische Fieber und Ruhranfälle, theilweise mit typhosem Charakter, häufig vor, im Winter hauptsächlich Lungenentzündungen, Anginen und Krampfhusten; im Jahr 1845/46 herrschten Krampfhusten und Nervenfieber epidemisch an einzelnen Orten. Im Jahr 1846/47 war eine Nervenfieber-Epidemie in Münster; die Masern verbreiteten sich in Ober-Roth, Hausen, Vichberg, Mittel- und Unter-Roth; der Krampfhusten kam vereinzelt vor. 1847/48 traten Masern und Nervenfieber sporadisch in vielen Ortschaften auf; 1848/49 erschienen die Pocken vereinzelt in Langert und Ober-Fischach. 1849/50 kamen 7 Erkrankungen von verdorbenen Leberwürsten vor, welche jedoch sämmtlich geheilt wurden; an den Pocken erkrankten im Ganzen an verschiedenen Orten 20 Personen. Rothlauffieber, meist mit Angina verbunden, waren sehr häufig, der Krampfhusten epidemisch in Sulzbach. 1850/51 herrschten Keuchhusten und Catarrhfieber neben Lungenentzündungen hauptsächlich im Oktober–Dezember; von Januar–März Catarrhe und Frieselfieber; vom April–Juni akute Fluß- und Catarrh-Fieber, so daß auch in dem genannten Jahr die catarrhalischen und rhevmatischen Krankheiten als vorherrschend bezeichnet werden müssen. Auch die Pocken kamen in demselben ziemlich häufig vor und wurden durch den Oberamtsarzt in Behandlung genommen.

Was die geistigen und moralischen Verhältnisse der Bewohner anbelangt, so gibt sich zunächst die Verschiedenheit der Bewohner des ehemaligen Frankens und Schwabens (deren Grenze im Abschnitt VII. angegeben ist) zu erkennen; auch bleibt die durch Wohlhabenheit oder Armuth bedingte Lebensweise auf Sitten und Moralität nicht ohne Einfluß. Der Franke ist durchschnittlich lebhaft, unternehmend, aufbrausend, zu lustigen Gelagen aufgelegt, die Sorgen leicht vergessend, zum Handel ebenso geneigt als geschickt; der Schwabe dagegen mehr ruhig und beschaulich, trägt seine Sorgen überall hin mit, ist gemüthlicher, stiller und wird erst, wenn er Bekannte trifft und einige Schoppen getrunken hat, lustig und zum Gesang aufgelegt; er überlegt, ehe er ausgibt, ob er auch kann und darf, und hält weniger auf den Schein als auf den Besitz. Im Handel läßt er sich leichter übervortheilen, weil er weniger verschlagen ist, und wird oft den Unterhändlern zur Beute. Mit der bezeichneten Neigung zur Sorglosigkeit und dem Handel steht nicht selten Genußsucht und Schlauheit im Zusammenhang. – In manchen Ortschaften hat auch der Hang zu geschlechtlichen Ausschweifungen eine traurige Pflanzschule des Proletariats erzeugt, indem es nicht selten vorkommt, daß eine ledige Person 5–6 vaterlose Kinder der Gemeinde zur Erbschaft hinterläßt, Verhältnisse, welche sich freilich auch in anderen Gegenden in den letzten 30 Jahren mehr oder weniger gezeigt haben.

Die Lebensweise und Sitten der Angehörigen der vormals

Empfohlene Zitierweise:
Rudolph Friedrich von Moser: Beschreibung des Oberamts Gaildorf. J. B. Müller’s Verlagshandlung, Stuttgart 1852, Seite 035. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAGaildorf_035.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)