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Musik von Blech-Instrumenten und dem Knalle der Büchsen. Ebenso geht der Zug in das Wirthshaus zurück, wo der Hochzeitknecht mit der Braut drei Ehrentänze macht und dann der allgemeine Tanz beginnt, welcher nur durch die jedoch lange dauernde Mahlzeit unterbrochen wird, welche Braut und Bräutigam, deren Eltern und die „gröbsten Freunde“, d. h. die beiderseitigen nächsten Verwandten, am „Ehrentisch“ einnehmen, indeß die übrigen Gäste nach Belieben sich setzen und auf eigene Rechnung zehren. Dabei wird der Degen des Brautführers über dem Tische der Brautleute in die Wand eingespießt und daran ein schöner Kindszeug aufgehängt. Die Speisen bestehen gewöhnlich in Suppe, Voressen (von Kuttelflecken), Rindfleisch, Sauerkraut und Schweinefleisch, Würsten oder Braten. Auf eine größere Bauernhochzeit schlachtet der Wirth 4–5 Schweine, ein Rind und mehrere Kälber. Während und nach der Mahlzeit heißen die Brautleute die fremden Gäste willkommen, indem sie ihnen Wein kredenzen. Geschenke an das Brautpaar kommen, außer von den nächsten Verwandten, selten vor; wo sie üblich sind, betragen sie meistens nur 12, 15 bis 24 Kreuzer in Geld. Das Tanzen, Essen, Trinken und Jubeln dauert nicht nur die ganze Nacht hindurch, sondern wird auch nicht selten am nächsten Tage wiederholt. Ein eigenthümlicher Brauch findet beim Einzuge der Brautleute mit ihrer Aussteuer im Fischachthale Statt: der Weg wird mit einem Strohseile gesperrt, das sich nur gegen eine Spende an die Armen löst. Solenne Hochzeiten dieser Art werden übrigens immer seltener. Dasselbe gilt von den Tauf- und Leichen-Schmäusen, die ehemals fast ebenso kostbar waren. An den Kosten der ersteren trägt auf dem Walde der Taufpathe einen Haupttheil, da zwischen diesem und dem Päthchen hier ein ungemein inniges Verhältniß sich bildet (O.A.Beschr. Welzheim S. 38). 1

Am Palmsonntag will, nach Prescher, der Gebrauch, daß die Kinder mit Bretzeln und Ostereiern, am Christtag mit Milchkuchen, Marcipan, Lebkuchen u. dergl. beschenkt werden. Vom Advent bis zum Christtag gilt jeden Donnerstag die „Anklopfet“. Die Kinder gehen in den Häusern umher, wünschen ein reiches Kornjahr und werden mit Nüssen, Marcipan etc. beschenkt. In der Nacht vor dem Pfingstfeste werden noch hie und da Maien vor die Fenster gepflanzt, im Oberlande sogar auf die Miststätten, und die Beobachtung des letztern Gebrauchs wird fast als ein wesentliches Stück der Viehpflege angesehen. Besondere Volksfeste gibt es nicht. Selbst die Kirchweihe geht still vorüber. Der Schluß der Ernte und des Dreschens (Sichel- und Flegel-Hängen), die Fastnacht, St. Martinstag und manchmal das Krauteinschneiden werden von Wohlhabenderen mit einem guten Schmause, wobei Sauerkraut mit Schweinefleisch und Schmalzgebackenes nicht fehlen darf, zu Hause gefeiert. Unter den geselligen Vergnügungen ist nur das Kegelspiel zu erwähnen. Auch die benachbarten Jahrmärkte werden fleißig besucht. Wo die Verhältnisse

Empfohlene Zitierweise:
Rudolph Friedrich von Moser: Beschreibung des Oberamts Gaildorf. J. B. Müller’s Verlagshandlung, Stuttgart 1852, Seite 039. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAGaildorf_039.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)