Seite:OAGaildorf 142.png

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Dann folgt Thonmergel oder Leberkies von bedeutender Mächtigkeit. Diese Erdmasse, die sowohl den Lehm- als den Sand-Boden verbessert, ist sehr zum Rutschen geneigt. In der Richtung gegen Mittelbronn findet sich Vitriolschiefer und Vitriolkohle (S. 22), daher hier viele Jahre lang vorzüglicher Vitriol gewonnen und auch nach Steinkohlen gegraben wurde, bis erst vor etwa 20 Jahren die Gruben als ausgebeutet aufgegeben worden sind. Aus dem jene Berge unterlagernden weißen und bunten, nur theilweise zum Straßenbau tauglichen, Sandstein, entspringen die reinsten Quellen von seltener Frische. Am Fuße der Hohtanne ist eine merkwürdige, bis jetzt nur wenig bekannte Schlucht, die „Teufels-Kanzel“ genannt. Von Außen unsichtbar senkt sich der Boden plötzlich fast senkrecht mehr als haustief, und ungeheure Felsen bilden eine etwa 150′ breite höhlenartige Bucht. Unter einem in Gestalt eines Schalldeckels hervorragenden Felsen öffnet sich eine Felsplatte in der Form einer schwer zugänglichen Kanzel, vor welcher sich im Rundkreis ein weiter Zuhörer-Raum ausbreitet. Hinter der Platte öffnen sich zwei unheimlich tiefe Felsspalten, die zu sicheren Schlupfwinkeln dienen und in deren einer eine krystallhelle Quelle sprudelt. Diese wildromantische Schlucht erregt unwillkürlich die Phantasie, welche bald eine urchristliche Kirche, bald eine Räuberhöhle zu erblicken glaubt. Der Boden der Hochebene ist fruchtbar, die Bergabhänge aber taugen zumal, wegen ihrer großen Neigung zum Rutschen, in der Regel nur zum Waldbau und zur Weide, mit Ausnahme ihrer obersten Theile, welche dem Obstbau sehr günstig sind. Der Thalgrund ist magerer Sand oder sumpfig und strichweise so kalt, daß die Parzelle Hohenreusch nur unter dem Namen „das kalte Loch“ bekannt ist. In diesem kalten Striche, der sich von Gschwend an durch das Rothbach-Thälchen bis Birkenlohe und Hönig herabzieht, ist die Vegetation äußerst gering, die Kartoffeln erfrieren fast alljährlich und das Obst gedeiht selten. Merkwürdig ist, daß in Josenhof seit Menschengedenken kein Sperling sich sehen ließ. Je mehr sich der Boden der Hochebene östlich und südlich gegen Eschach hinzieht, desto mehr verschwindet die Keuperformation, der Liasformation Platz machend, welche im Liaskalk (Gryphitenkalk) unendliche Massen versteinerter Schnecken und andere schöne Versteinerungen enthält und den Kalkbrennern unerschöpfliche Vorräthe darbietet; Die Thäler sind meist Schluchten, von geringen Bächlein bewässert; nur die obere Roth, welche bei Gschwend eine Strecke bergauf zu laufen scheint, treibt einige Mühlwerke. Auf der Höhe tritt nicht selten Wassermangel ein, so daß manche Brunnen geschlossen werden müssen. Röhrbrunnen fehlen; das Wasser der Pumpbrunnen kommt aus sog. Schwitzadern, welche stets eine Auflösung des leimigen Bodens mit sich führen. Die einzige Quelle, am südöstlichen Bergabhange bei Frickenhofen, führt

Empfohlene Zitierweise:
Rudolph Friedrich von Moser: Beschreibung des Oberamts Gaildorf. J. B. Müller’s Verlagshandlung, Stuttgart 1852, Seite 142. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAGaildorf_142.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)