Seite:OANürtingen 171.png

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sucht diese Nachtheile mit Erfolg zu überwinden. Auch haben sich die vermöglichern Einwohner viele Güter auf benachbarten Markungen, besonders in Neuffen, erworben. Von Fruchtarten werden Dinkel, Weizen und Mischling, auch Gerste gebaut und Weniges nach Außen abgesetzt. Der Wiesenertrag ist quantitativ mittelmäßig und kaum zureichend, das Futter aber gut. Die Acker- und Wiesen-Preise stehen zu 200, 400–800 fl. Obst und Wein sind allein erhebliche Gegenstände des auswärtigen Verkaufs. Cultur- und Absatz-Verhältnisse des mittelmäßigen, doch den bessern der Gegend beizuzählenden Weins sind wie in den Nachbarorten; der Durchschnittsertrag berechnet sich auf jährlich 350–400 Eimer zu 20 fl. Die Obst- und namentlich Kirschen-Zucht gehört zu den wichtigsten des Bezirks; es wird sehr Vieles grün verkauft, vieles Steinobst auch zu Branntwein, besonders die Kirschen zu Kirschenwasser gebrannt. Die Ausdehnung dieses Nahrungszweiges und die Veredlung der Sorten ist noch immer im Zunehmen begriffen. Die Waldungen, zum größten Theil der Commune zugehörig, reichen zum eigenen Bedarf nicht zu und gewähren, außer den Rinden, keinen auswärts zu verwerthenden Ertrag. Mehrere Brüche liefern marmorartige Kalksteine, welche häufig in die Nachbarschaft ausgeführt werden. – Die Rindviehhaltung ist so ausgedehnt, als der Güterbesitz nur immer erlaubt; die Zucht gehört zu den bessern des Oberamts; besonders wird auf gute Stiere gesehen, welche der Anbau des schweren Bodens verlangt. Die Schafzucht hat bis jetzt nicht abgenommen, ist aber wenig erheblich; der Weidepacht erträgt für die Gemeinde 200 fl.

Die Einwohner, ein sehr tüchtiger Schlag Menschen, haben sich durch Fleiß und Ökonomie in einen Wohlstand und Credit gesetzt, welcher die umliegenden Ortschaften namhaft übertrifft. Man zählt kaum 4–5 Ortsarme. Bei aller Genügsamkeit, bisweilen selbst weit getriebener Sparsamkeit, lieben sie es übrigens doch, bei besondern Gelegenheiten etwas aufgehen zu lassen. Besonders werden Hochzeiten mit nicht gewöhnlichem Luxus und gegen die in unserm Bezirk vorherrschende Sitte gewöhnlich nicht im Wirthshaus, sondern im Hause der Eltern des Bräutigams oder der Braut gefeiert, wobei die Hochzeitgäste auf Kosten der Brautleute traktirt, und diese von den Gästen wiederum so reichlich beschenkt werden, daß ihnen oft nach Abzug des gehabten Aufwandes hundert und mehr Gulden übrig bleiben. Diese sogenannten Hochzeitessen dauern dann gewöhnlich ein Paar Tage. Im Ort selbst wird außer den gewöhnlichen ländlichen Gewerben ziemlich viel Leinwandweberei getrieben. Schildwirthschaften sind zwei vorhanden, auch besitzt die Gemeinde ein öffentliches

Empfohlene Zitierweise:
August Friedrich Pauly: Beschreibung des Oberamts Nürtingen. J. G. Cotta'sche Buchhandlung, Stuttgart und Tübingen 1848, Seite 171. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAN%C3%BCrtingen_171.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)