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Die Capelle stand aber auch mit auswärtigen Tonsetzern in Verbindung, namentlich 1567 mit dem berühmtesten Tonkünstler seiner Zeit, dem bayerischen Capellmeister Orlando de Lasso.

Der hauptsächlichste Zweck der Capelle war Kirchenmusik in der Hof-Capelle (S. 117), obwohl sie außerdem bei der fürstlichen Tafel und wohl auch in Concerten sich hören ließ; daher verblieb auch die Bestreitung der Kosten, ausschließlich der Trompeter und Pauker, dem Kloster Denkendorf Namens des Kirchengutes, und hatte der h. Kirchenrath die Inspection über die Capelle.

In den übrigen Kirchen fanden sich frühe schon Orgeln; das Stift hatte bereits im 15. Jahrhundert eine Organisten-Pfründe. Herzog Christoph nahm 1558 an die Stelle des Franz Frueß den Georius Ostermayer von Kronenstadt in Siebenbürgen als Stifts-Organist an; Joh. Steigleder, einem alten Stuttgarter Organisten-Geschlechte angehörig, schrieb 1624 und 1634 eine Orgeltablatur und Figuralgesänge, J. G. Störl componirte 1711 Melodien zu geistlichen Liedern. In der Stiftskirche bestand die S. 271 erwähnte Figural- und Instrumental-Musik, für welche bei ihrer Wiederaufrichtung im Jahre 1651 ein Musik-Director, 8 Sänger und Sängerinnen, und ein Stifts-Musiker mit 5 Instrumentisten bestellt wurden und wobei auch Schüler des Pädagogiums, die hiefür einen eigenen Gesanglehrer hatten, den Discant sangen. Als die Stelle des von der Herrschaft und der Stadt besoldeten Thurmbläsers (S. 131), welcher die Feuersbrünste und ankommenden Reiter mit der Trompete anzukündigen und die Stunden nachzuschlagen hatte, um 1658 erstmals mit einem kunstmäßig gebildeten Musiker besetzt und die Hochwache in der jetzt üblichen Weise bestellt worden, hatte derselbe als nunmehriger „Stadtzinkenist“ auch die Instrumental-Musik in der Stifts-Kirche zu besorgen. Er durfte bei Hochzeiten aufspielen und am neuen Jahr in der Stadt herum musiciren, auch die Kind-Taufen von Hof- und Kanzlei-Verwandten „anblasen“. Es lag ihm aber auch, wie heute noch, das 1659 angeordnete Abblasen vom Thurm ob, indem er dort Morgens, Mittags und Abends mit Zinken und Posaunen einen Psalm oder andere Motetten spielen sollte.

An dem Theater hatte sich lange vor der Zeit, da der Hof es pflegte, das Volk erlustigt. Denn wenn auch über die ältesten Passions- und Fastnachts-Spiele nichts Näheres mehr bekannt ist, so ist es doch außer Zweifel, daß auch hier das Schauspiel von der Kirche abstammt, da noch kurz vor der Reformation des „Oster-Spiels“ im Stifte gedacht wird; und wie seit Jahrhunderten die Bauern im Oberammergau noch heute biblische Stücke zur

Empfohlene Zitierweise:
Rudolph Moser: Beschreibung des Stadtdirections-Bezirkes Stuttgart. Eduard Hallberger, Stuttgart 1856, Seite 413. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAStuttgartStadt0413.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)