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Letzteren gesichert haben, das wahrscheinlich wieder verloren ging, als die Stadt drei Jahre später ihrem alten Herrn sich nieder unterwarf. Im Jahre 1508 war es bereits Herkommen, daß die Richter wie die Raths-Verwandten durch die Herrschaft ernannt wurden, welches alljährlich an Martini in der Weise geschah, daß jedesmal beide Collegien entweder bestätigt, oder, nachdem (1728 und 1783) die bisherigen Mitglieder eines nach dem andern von dem Vogt um ihre Vorschläge hinsichtlich der Wiederbesetzung aufgefordert worden waren, von der Regierung ganz oder theilweise neu besetzt wurden; worauf die Ernennung der Bürgermeister, der städtischen Beamten und Diener, sowie die Rechnungsabhör (ohne Antheilnahme der Bürgerschaft) und an jedem Abend ein Schmaus, theils auf herrschaftliche, theils auf städtische Kosten, folgte. Die altherkömmliche Belohnung eines Richters war, außer gewissen Sporteln, 40 Pfd. H. von der Herrschaft, und eine Eiche aus den Stadtwaldungen. Die Neuernannten hatten dem Gerichte ein köstliches Mahl, von 1492 aber an dessen Statt einen silbernen Becher auf die Bürgerstube (S. 96) zu geben. Zu den Gerichtssitzungen wurde zweimal geläutet und dann eine Sanduhr aufgestellt, nach deren Ablaufe die nicht erschienenen Richter in Strafe fielen. – Wie die bürgerliche, so übte auch die peinliche Gerichtsbarkeit im Namen des Landesherrn der Vogt mit den Mitgliedern des Gerichtes aus, deren eines der „Stabhalter“ war. Die Verhandlungen waren in ersterer Hinsicht auf dem Rathhaus, in letzterer anfänglich auf dem Markt-Platze, seit der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts aber bis zu Anfang des gegenwärtigen Jahrhunderts bei offenen Thüren auf dem Herren-Hause (S. 123). Civilrechtliche Gegenstände von 1/2 bis 10 Pfund H. hatte das mit vier Richtern besetzte kleine Gericht, noch geringere Sachen aber hatten die Büttel abzumachen. – Das Gericht war zugleich Ober-Gericht, d. h. es hatte auf Verlangen anderen Gerichten „das Recht zu weißen“, nämlich sie auf den Grund des Stadtrechtes zu belehren; auch war es für solche Ober-Untergang; namentlich galt Beides 1456 für den Landestheil des Grafen Ulrich und nachmals für das Land unter der Steig. In schwierigen Fällen hatte sich das Stadtgericht bei der Juristenfacultät in Tübingen Raths zu erholen. Von 1560 bis 1806 waren zwei Stadtgerichts-Advokaten bestellt. Die Richter wählten aus ihrer Mitte die Bürgermeister, die seit 1547 nur zwei Jahre im Amte blieben und hauptsächlich das Stadt-Vermögen zu verwalten hatten. Der gleichfalls aus zwölf Mitgliedern zusammengesetzte Rath ist jünger als das Gericht und war diesem lange Zeit untergeordnet. Er hatte auch in späterer Zeit an den Administrativ-Verhandlungen nur

Empfohlene Zitierweise:
Rudolph Moser: Beschreibung des Stadtdirections-Bezirkes Stuttgart. Eduard Hallberger, Stuttgart 1856, Seite 435. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAStuttgartStadt0435.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)