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Schloß für 2500 fl. an den Kaufmann Nast von Ludwigsburg, der eine Lichterfabrik in demselben errichtete, nach einigen Jahren aber es an die Gräfin v. Marpalu verkaufte, die es vor etlichen Jahren an den geheimen Legationsrath, Freiherrn v. Hügel, veräußerte. – Von den übrigen Gebäuden des Orts verdient noch die Sommerwohnung der Gräfin v. Marpalu Erwähnung. 1

Die Markung begreift 302/8 Morgen Gärten, 5124/8 Morgen Äcker, 646/8 Morgen Wiese und 636/8 Morgen Weinberg, zusammen 6712/8 Morgen, wovon 2884/8 Morgen dem Staat gehören. Diese letztere rühren von der ehemaligen Herrschaft Hochberg her. Sie sind jedoch an Ortseinwohner gegen ein billiges Pachtgeld auf Lebensdauer in der Art überlassen, daß sie nach und nach in das Eigenthum der Bürger übergehen. Dessen ungeachtet kommen nur 4 Morgen Baufeld auf eine Familie. Mehr als ein Drittel der Einwohner besteht aus Israeliten, wodurch der Charakter der hiesigen Einwohnerschaft eine eigene Geschmeidigkeit erhalten hat, die sie leicht der Mißdeutung aussetzt. Indeß die Juden in ihren Erwerbszweigen große Rührigkeit entfalten, scheinen die Christen mehr und mehr ökonomisch zurück zu kommen, wobei sie noch an luxuriöse Genüsse, namentlich an den Kaffee, gewöhnt sind. Es verdient übrigens Anerkennung, daß Hochberg der erste Ort des Landes ist, wo (1846) ein Israelite zu einem Gemeindeamt berufen wurde. Die erste Judenfamilie soll vor etwa 100 Jahren aufgenommen worden seyn. Die Kleidung ist meist armselig; bei den Christen von Linnen, bei den Juden von Barchent und Zitz. Die Nahrungsquellen sind für jene Acker- und Wein-Bau, für diese Handel und theilweise Acker-Bau. Der Boden ist fruchtbar an Getreide, Obst, Futterkräutern und Wein, und die landwirthschaftliche Cultur vergleichungsweise genügend. Die Dungstätten sind nach alter Art, auch nur wenige Schwerzische Pflüge vorhanden. Zum Verkauf nach Außen kommt nur wenig Getreide. Als Futterkraut dient hauptsächlich die Luzerne. Außer dem Schloßgarten sind auch noch einige Gärten von Israeliten zu erwähnen. Die Wiesen sind gut, ohne Wässerung. Die Weinberge liegen alle an dem südwestlichen Bergabhange, und sind meist mit Sylvanern, Rothelbingen und Trollingern bestockt. Ein Morgen erträgt 4 Eimer. Der Wein gehört zu den besseren des Landes und wird dem von Neckarrems und Hohenacker gleich geachtet. Auch das Obst geräth gerne; mit Ausnahme der Kirschen werden alle Sorten gebaut. Es sind zwei Baumschulen da. Ein Morgen Acker wird zu 150 bis 400 fl., Wiese zu 300 fl., Weinbergs zu 400 fl. verkauft. Viehhandel treiben die Juden. Bienenzucht wird lebhaft betrieben. Mehrere Israeliten treiben mit Wollen-,

Empfohlene Zitierweise:
Rudolph Friedrich von Moser: Beschreibung des Oberamts Waiblingen. J. G. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1850, Seite 156. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAWaiblingen0156.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)