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Anblick. Die Anhöhe fällt gegen Norden ziemlich stark ab; gegen Süden ist die Abdachung viel geringer. Der Boden ist fruchtbar, an einigen Stellen etwas schwer, meist aus Lehm und Humus bestehend. Er geht meistens tief und hat Keupermergel zur Grundlage. Die Luft ist rein, trocken und mild; bedeutende Nebel sind selten. An einzelnen Stellen sind im Sommer Morgens und Abends sehr kühle scharfe Durchzüge, daher auch in den Thälern weiche Pflanzen leicht von Frühlingsfrösten leiden. Die Ernte ist einige Tage später als in Waiblingen, aber doch noch 8 Tage früher, als in Oppelsbom und anderen höher gelegenen Orten. Hagelschlag ist selten; der Korberkopf und das Hohreusch bilden eine Wetterscheide (S. 22). Das Aussehen der Stadt ist freundlich, besser als dasjenige Waiblingens. Die starken Mauern, womit sie nebst einem tiefen Graben umgeben war, sind vielfach durchbrochen und der Graben meist ausgefüllt. Die Hauptstraße, welche auf dem Kamme des gedachten Hügels hinläuft, ist ziemlich breit und erträglich gerade. Die zweite Straße ist schon ziemlich schmal, fällt aber etwas steil gegen Norden ab; die übrigen Straßen sind enge kleine Gäßchen. Die Vorstadt ist freundlicher. Durch Winnenden führt die äußerst frequente Stuttgart-Haller Staatsstraße; auch ist es durch die S. 77 gedachten Commerzialstraßen mit Ludwigsburg, Schorndorf und dem Welzheimer Walde in Verbindung gesetzt, wodurch der Verkehr der Stadt sehr an Lebhaftigkeit gewinnt.

Winnenden hat 371 Haupt- und 104 Neben-Gebäude. Die Häuser sind meist ziemlich groß und – mit Ausnahme von vier steinernen Gebäuden – von Holz mit Fachwerk. Sie stehen enge bei einander und sind in den Seitengäßchen meist klein, zum Theil erbärmlich. Von den Thorthürmen steht nur noch der Schwaickheimer; er befindet sich jetzt mitten in der Stadt und gewährt einen stattlichen Anblick. Ein Schloß, das in der Stadt stand, und wo z. B. 1478 der Vogt wohnte, muß schon lange abgegangen seyn. An öffentlichen Gebäuden sind zu nennen:

Die Schloßkirche zum heiligen Jacob, welche im fünfzehnten Jahrhundert vom deutschen Orden erbaut ward. Bei dem hienach zu erwähnenden Schlosse Winnenthal stehend ist sie gleichwohl die Mutterkirche der Stadt. Sie ist von einfacher, schöner gothischen Bauart, enthält aber Spuren noch älterer Baureste. Der Hochaltar von kunstreicher Schnitzarbeit trägt die Jahreszahl 1520 und stellt Scenen aus der Legende des heiligen Jacob in halb erhabener Arbeit dar (S. würt. Jahrb. 1841 S. 228). Unter den Statuen will man auch den heiligen Wendelin[1] erkennen. An


  1. Der Schutzpatron Winnendens soll der h. Wendelin gewesen seyn,
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Rudolph Friedrich von Moser: Beschreibung des Oberamts Waiblingen. J. G. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1850, Seite 204. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAWaiblingen0204.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)