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der also Geehrte den Schießenden geben muß. Auch sogenannte Reunionen in Wirthschaftsgärten, Musik ohne Tanz, kommen in neueren Zeiten hie und da vor. Und die Liederkränze, welche sich in den letzten Jahrzehnten auch in manchen Landgemeinden gebildet haben, finden sich oft an freien Sommerabenden in öffentlichen Gärten oder größeren Wirthschaftslocalen zusammen, wobei fröhlich gesungen und getrunken wird. Das Jahresfest des landwirthschaftlichen Vereins, welches abwechselnd in 4–5 verschiedenen Orten des Bezirks gehalten wird, gibt ebenfalls Gelegenheit zu allgemeinen geselligen Vergnügungen. Bei Hochzeiten finden sonst keine besondere Gebräuche statt. Bei Kindstaufen wird gewöhnlich den Gevattern und nächsten Verwandten eine kleine Collation im Wohnhause, auf dem Walde, wo sie oft weither zur Kirche kommen, in einem Wirthshause des Mutterorts gegeben. Bei Leichenbegängnissen sind, zumal wo viele Auswärtige zusammen kommen, die sogenannten Leichentränke nicht ungewöhnlich. Die Leichen werden von den betreffenden Lehrern und der singfähigen Schuljugend vor dem Hause des Verstorbenen abgeholt und mit Gesang, wenn der Sarg zum Ausruhen niedergestellt wird, zu Grabe begleitet. Wohnte der Verstorbene in einem entfernten Filiale, so wird der Sarg mit seinem eigenen Zugvieh unter Begleitung der Leidtragenden und der Schuljugend zum Gottesacker gefahren. Der Geistliche empfängt ihn am Kirchhofthor und die Schuljugend singt vor und nach seiner Parentation am Grabe. Oft bewegt sich auch der Zug nach der Einsenkung des Sarges in die Ortskirche und hört da die Leichenpredigt des Geistlichen. Nach dieser gehen die Leidtragenden zum Opfer um den Altar.

Neueingeführter kirchlicher Gebrauch an so vielen Orten des Bezirkes sind die Gottesdienste am letzten Abend des Jahres bei beleuchteter Kirche, welche immer sehr viele Theilnehmer finden. In Löwenstein ist der alte Brauch, daß an diesem Abende ein großer Theil der Gemeinde mit Fackeln auf die schöne alte Burgruine zieht und da ein passendes geistliches Lied miteinander singt, während die Abendglocke zum Letztenmale geläutet wird.

Dieses Läuten der Abend- und Morgenglocke beim Grauen des Tages und nach der Abenddämmerung, der sogenannten Betglocke, ist in allen Gemeinden des Bezirkes von jeher üblich und selbst in Parzellen der Hochebene, wo ein neues Schulhaus mit einem Glockenthürmchen erbaut wurde, auf besonderen Wunsch der Schulgemeinden eingeführt worden, wofür sie freiwillig dem Lehrer eine besondere kleine Remuneration verwilligten.

Auch das in manchen Gemeinden schon übliche Einläuten des

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F. L. I. Dillenius: Beschreibung des Oberamts Weinsberg. Karl Aue, Stuttgart 1861, Seite 055. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAWeinsberg_055.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)