Seite:OAWeinsberg 137.png

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Johannis Ev., St. Jacobi, St. Crucis, B. v. Mariae. Eigenthümlich ist die Stellung des Thurms über dem Chor. Besonders bemerkenswerth ist das Gewölbe über dem quadraten Chorraum in der unteren Thurmhalle, welches ausser den halbkreisförmigen Kreuzgurten auch noch Scheitelrippen hat, die von einem Ring in der Mitte ausgehen, weßhalb die Stirnen spitzbogig sind. Sämmtliche Rippen zeigen von vorn eine breite Einziehung, die mit Rosetten ausgefüllt ist. Die eigenthümliche Eintheilung dieses Gewölbes und die reiche Verzierung seiner Rippen vereinigen sich zu einer vortrefflichen Wirkung, wie man sie selten antreffen wird. (Nach Mauch, Abhandlung über mittelalterliche Baudenkmale in Württ. 1849, S. 17.) Auf der Ostseite schließt diese Thurmhalle mit einem hohen Spitzbogen, über welchem 3 schmale lange Fensteröffnungen mit Halbkreisbögen sind, das mittlere höher, als die zwei anderen. Die ohne Zweifel runde Absis mußte einem östlich angebauten längeren, spitzbogig gewölbten Chore Platz machen, in welchen der, im romanischen Styl ausgehauene Altartisch, mit schlanken Säulen an den 4 Ecken, ohne Zweifel vom früheren Chorraum her, versetzt wurde. Die Erbauung dieses neueren Chores fällt in’s 15. Jahrhundert, oder falls die in den Rosetten der Spitzbogen sichtbaren Wappen von Württemberg und Weinsberg gleichzeitig eingefügt wurden, erst in die Zeit nach 1512, etwa um 1534. Um letztere Zeit konnte dieser Chor, dessen Erbauung nach der Ausbrennung der Kirche vom Jahr 1525 begonnen haben konnte, vollendet worden seyn. Er ist über doppelt so lang als breit, lauft in ein halbes Achteck aus und hat zu beiden Seiten 3 lange, spitzbogige, in der Mitte des Achtecks 1 breiteres spitzbogiges Fenster mit 3 Bogen und reicher Füllung über denselben. So hell er dadurch wird, so ist er doch theils wegen seiner Entfernung vom Schiff der Kirche, theils wegen der dazwischen liegenden verhältnißmäßig zu niedrigen Bogenöffnung im östlichen Fundament des Thurmes für den protestantischen Gottesdienst leider! nicht brauchbar. Außen sind bis zum Dach hinaufreichende Eckpfeiler. Bemerkenswerth sind im Plafond dieses Chores, wo die Spitzbogen des Gewölbes zusammenlaufen, die Rosetten, deren 2, mit dem altwürttembergischen und Weinsberger Wappen schon zuvor berührt worden sind. Eine 3te enthält das Haupt Johannis Bapt., des Kirchenpatrons, von welchem auch im Schiffe der Kirche ein altes, die Taufe Christi durch ihn darstellendes Gemälde hängt. Die 4te enthält eine kleine männliche Figur mit einem Steinmetz-Zeichen, wahrscheinlich die vom Erbauer des Chors, was unsere obige Vermuthung bestätigen dürfte, daß diese Rosetten nicht erst in späterer Zeit eingefügt worden seyen.

Empfohlene Zitierweise:
F. L. I. Dillenius: Beschreibung des Oberamts Weinsberg. Karl Aue, Stuttgart 1861, Seite 137. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OAWeinsberg_137.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)