Seite:Oberamt Blaubeuren 104.jpg

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Das Merkwürdigste darin ist jedoch dermalen noch der Hochaltar mit seinen sehenswürdigen, altdeutschen Kunstwerken. Er ist mit doppelten Flügelthüren versehen, worauf aussen die Leidensgeschichte Christi, innen aber die Geschichte Johannis des Täufers gemalt, sodann in halberhabener Arbeit die Geburt Christi und die Ankunft der Weisen dargestellt sind. In dem Altargebäude selbst sind in ganzen Figuren Maria mit dem Jesuskinde, zur Rechten Johannes d. T. und der h. Benedikt, zur Linken Johannes d. Evang. und Scholastika, die Schwester Benedikts, in mehr als Lebensgröße, in dem untern Felde aber Christus und die Apostel in Brustbildern, sämmtlich in Holz geschnitzt und bemalt, dargestellt. An dem Altar finden sich die Jahrzahlen 1494 und 1495. Der Meister der Schnitzwerke ist Georg Sürlin von Ulm. Ihm werden gemeiniglich auch die Gemälde zugeschrieben; der Maler soll aber Stöcklen geheissen haben. Man erzählt sich das Märchen, daß nachdem Sürlin sein Werk vollendet hatte, die Mönche ihn gefragt haben, ob er sich getraue, noch einen schönern Altar zu machen, und als er dieß bejahte, haben die Mönche ihm die Augen ausgestochen. Obgleich seines Augenlichts beraubt, habe Sürlin dann doch noch sein eigenes Bild geschnitzt. Wahr ist, daß sein Bild noch jetzt zur Seite des Altars sich befindet. Darunter ist zu lesen: „Anno Domini 1493 elaborata sunt haec subsellia (d. h. die Chorstühle) a Georio Sürlin de Ulma, hujus artis peritissimo.“ Die Altarbilder haben fast sämmtlich noch ein ganz frisches und wohlerhaltenes Aussehen, ob sie gleich manche Spuren des Muthwillens und der Rohheit an sich tragen, wie denn z. B. über einen Kopf weg der Name „Manz v. Ehingen“ eingekratzt ist[1]. Noch wallfahren katholische Christen an Mariä


  1. In Akten liest man folgende Verordnung: „Weil der schöne Altar und die Klosters-Chorstücke mit Namen-Einschneiden und sonst sehr verwüstet und ruinirt worden; so hat eine hochfürstliche Kloster-Visitation 12. Decbr. 1720 und 13. Jan. 1721 deßwegen einen ernstlichen Rezeß gestellt, des Inhalts, daß welcher Alumnus solchen Altar ferner also verunehren würde, derselbe prima vice mit der poena carceris per triduum angesehen, secunda vice aber gar rejicirt werden solle.“
Empfohlene Zitierweise:
Johann Daniel Georg von Memminger: Beschreibung des Oberamts Blaubeuren. Stuttgart: J. G. Cotta'sche Buchhandlung, Stuttgart und Tübingen, 1830, Seite 104. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Oberamt_Blaubeuren_104.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)