Seite:Oberamt Reutlingen 099.jpg

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der gern alle Städte zu Reichsstädten gemacht hätte, ein Privilegium, wie man jährlich Gericht und Rath erneuern soll, und 1374 geht eine von Kaiser Karl IV. bestätigte Ordnung, von Burgermeister und Rath uffgericht, aus, welche, nach dem Vorbild der Rotweiler Ordnung, die Wahlen, wie sie bis in die neuesten Zeiten blieben, bestimmt. [1] In demselben Jahre erhält die Stadt das Privilegium, daß Keiner an kein Landgericht geladen werden, sondern vor dem Schultheissen Recht geben und nehmen soll.

Von Kaiser Maximilian I. erhielt Reutlingen im Jahr 1495 das Recht, bey geschlossenen Thüren, und nicht wie bisher auf freyem Platz oder Markt, über Blut zu urtheilen, und von eben demselben in eben demselben Jahre ein Privilegium wegen der Todtschläger, wodurch der Gebrauch bestätigt wurde: daß hinführo all und jegliche Person, so aus Hitz des Zorns oder aus Nothwehr außerhalb Reutlingen, Todtschläge thun, in der Stadt Freyung haben sollen; und noch auf den heutigen Tag leben Asylanten in Reutlingen.

Allmählig machte sich die Stadt auch von dem ihr so lästigen Achalmischen Verbande los; der vielen daraus entstandenen Verdrießlichkeiten müde, verlieh ihr Graf Eberhard das Stadtschultheissenamt nebst den obigen Rechten gegen ein jährliches Pachtgeld von 550 fl. im Jahr 1479 auf 3 Jahre und im Jahr 1483 wieder auf 11 Jahre; und dieser Pacht wurde immer wieder erneuert, bis endlich im Jahr 1500 Würtemberg gegen Kaiser Maximilian sich zu einem Verkauf verstand, worauf dann der Kaiser den Besitz gegen den doppelten Pachtschilling von 12.000 fl. an die Stadt verkaufte.

Auf diese Weise gelangte Reutlingen allmählig zu der völligen Unabhängigkeit und Selbstständigkeit einer Reichsstadt. [2] Als solche genoß es auch, zwar nicht so häufig,


  1. Die Urkunde ist mit dem Stadtsiegel – einem einfachen Adler mit der Inschrift: S. Universitatis De Riutelingen versehen.
  2. Merkwürdig ist auch die Art, wie sich Reutlingen die Juden vom Hals schaffte. Im Jahr 1349 verkaufte der Kaiser sämmtliche Juden zu Reutlingen mit Hab und Gut, Häusern und Hofstätten an die Grafen von Würtemberg, und diese verkaufen sie in eben demselben Jahre wieder für 1200 fl. an Reutlingen, Reutlingen aber verjagt sie bald darauf ganz aus der Stadt.

    WS: Die auf der nächsten Seite fortgesetzte Anmerkung wurde hier vervollständigt

Empfohlene Zitierweise:
Johann Daniel Georg von Memminger: Beschreibung des Oberamts Reutlingen. Stuttgart und Tübingen: , 1824, Seite 099. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Oberamt_Reutlingen_099.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)